Die Krassheit und Unwissenheit mit der quasi alle, auch sonst durchaus alternativ scheinende Leute, ihre Konstruktionen von ihrem Gegenüber mit ihrem Gegenüber selbst verwechseln macht mir Angst.
Es scheint mir mittlerweile durchaus beunruhigender verstanden zu werden, als nicht verstanden zu werden. Denn für viele ist verstehen offensichtlich ein sehr weitgehender, recht anmaßender assoziativer Prozess.
In meiner Jugend hatte ich eine Phase, in der ich dachte komplett minderbemittelt zu sein, weil alle sich immer so sicher waren, bei allem. Heute sind die Minderwertigkeitsgefühle grössstenteils Angst gewichen. Der Angst, dass quasi alle in einer Art ontologischem Sinne verstehen. Verstehen heisst für sie, dass dann das hemmungs- und zügellose Gleichsetzen der eigenen Konstruktion mit dem was - eben im Sinne einer Ontologie - als solches "ist". Nicht dass man das nicht auch bewusst und kommunikativ sinnvoll machen kann, nur in einer Welt in der es keine andere Gangart gibt, wird es gruselig. ... ich fürchte mich so vor der Menschen Wort http://goo.gl/j18vO
Verstehen ist für diese Leute dann kein spekulativer Prozess mehr, in dem eine selektiv erlebte Mitteilung mit der eigenen selektiven Information interferiert. Demut vor der Komplexität des Anderen, der Welt, ist entsprechend den meisten nur noch als quasi-humanistische Floskel mit greenwash-effekt aus ihrem rhetorischen Repertoire geläufig, aber nicht als sinnvolle Haltung. Gut, in einer Welt in der wir in vielen Systemen (von Esohippies bis in die Wirtschaft)) geradezu dazu angehalten werden unser Ego als einen sich selbstüberschätzenden Ignoranten zu performen, wundert das erstmal nicht.
Andererseits ist es, wenn man nur mal für fünf Cent nachdenkt, doch so naiv, dass es auch im Alltag verunsichern sollte, ob man nicht vielleicht was verpasst. Manchmal denke ich all unser gesellschaftliches Veränderungspotenzial ist gelähmt, weil wir zu schnell verstehen; und zwar in diesem oben angedeuteten ontologischen Sinne. Es geht bei Wissen dann scheinbar mehr um Claimdropping aus dem Steingemeisselten und garnicht um sauberes Spekulieren im Prozess. Es wird nicht auf den Prozess geguckt, sondern auf das was als eine Art Auswurf registriert und aufgeleckt wird.
Der ein oder andere mag jetzt an die Unterscheidung Wissen/Glauben denken und auf der einen Seite Wissenschaft und auf der anderen Seite Religion (oder wenn nicht Religion so gemeines Meinen setzen). Das ist aber genau die Engführung des Begriffs Spekulation impliziert, die mich nervt. Denn es geht nicht um ein Verlauf zwischen zwei Enden: auf der einen Seite Spekulation und auf der anderen Seite Nicht-Spekulation. Auf eine Weise sind der Bauingeneur, wie der Physiker, der Pastor, der Philosoph, die Fleischfachverkäuferin und deren Chef alle Spekulanten, nur mit verschiedenen Methoden (oder Programmen wie die Soziologen sagen).
Das Ding dabei ist doch, dass, wenn wir "ontologisch" verstehen, dann ist damit ein krasser "Marker" gesetzt, der sowas sagt wie: "Weiteres nachdenken über Veränderungen bitte einstellen. Es ist Notwenidig und natürlich gerechtfertigt. Widerstand ist zwecklos".
Wir haben uns zwar alle gut ämüsiert, als in der Politik der Begriff "altrnativlos" inflationär verwendet wurde und das entsprechende Resonanzen in den Kommentaren hervorbrachte. Aber mal Hand aufs Herz, laufen wir nicht alle allzugern auch in so eine ontologie-notwendigkeits-alternativlos-besserWissenalsGlauben-Falle und übersehen, dass wir alle nur spekulieren und das wir mehr auf die laufende Agumentation und die Wortverwendung achten sollten, statt auf vorab festgelegtes. Es macht vielleicht mehr Sinn sich laufend selbst am kritischsten zu hinterfragen und sich wenn irgend möglich vom Gegenteil seiner Lieblingshyphothese zu überzeugen, als alles dafür zu tun diese zu verteidigen. Weil es bei Wissen (spekulieren) nicht um Loyalität geht; Sondern darum den Karren für alle ein Stück weiter aus dem Dreck zu ziehen.
Und überhaupt, wenn wir nicht reflektieren, dass alles mehr oder weniger gut gemachte Spekulation ist, machen wir uns dann nicht auch als Gesellschaft in den Bereichen des als sicher unterstellten kommunikativ völlig lernresistent (so das wir zum Lernen immer auf das Desaster warten dürfen, das dann kommunikativ eine Veränderung unabdingbar macht (selbst wenn sie kognitiv nicht erfasst wird))?
Kaum einer sieht scheinbar dass es immer immer immer um sauberes, möglichst nachvollziehbares, wenn schon nicht methodengeleitetes Spekulieren geht; auch wenn wir behaupten nicht zu spekulieren (was im allgmeinen ja einfach nur ein Verweis auf als allgemein bekannt unterstellte methodische Kriterien ist und kein nicht-spekulieren). Das ist alles insgesamt schade, weil es Diskussionen langweilig macht in denen es dann oft mehr um Loyalitätsbeweise zu verschiedenen "In-Stein-meissel-Schulen" geht, als um Argumente. Claimdrop auf Claimdrop ist keine Argumentation. Mich nervt einfach vermehrt das Verstehen der Leute und garnicht mal das Nicht-Verstehen..... Verstehen ist mehr oder weniger gut kontrollierte Spekulation, und wir kastrieren uns intellektuell und gesellschaftlich, wenn wir das nicht berücksichtigen.
(Auch hier G+)