Eines
der ersten wirklich wichtigen Dinge die Jäger, neben einer effektiven
Jagdtechnik lernen mussten, dass war wohl die Tatsache, dass die
Jägerpopulation und die Beutepopulation sozusagen voneinander abhängen
(mindestens solange die Jagd der Nahrungsbeschaffung diente). Wurde ein
Revier überjagd, bzw. wurde mehr entnommen als sich in der Umwelt
reproduziert, wurde das zu einer lebensbedrohlichen Situation für den
Jäger. Er drohte zu verhungern. Dasselbe galt wohl im Prinzip auch für
Sammler. Dieses Risiko einzuschränken mag ein Grund gewesen sein als
Landwirt schließlich Tiere und Pflanzen zu züchten, um in einer
"abgegrenzten Kulturlandschaft" die Entnahme von Nahrung
(Tiere/Pflanzen) unter kontrollierbare Bedingungen zu stellen. Man
konnte komplett alles entnehmen was pro Saison produziert wurde und
hatte sozusagen immernoch die Natur als Notreserve.
Der Landwirt
trifft dann irgendwann wiederum auf die Probleme und Risiken der
Übernutzung der Umwelt indem er z.B. feststellt dass Böden ausgelaugt
werden können und so die Grundlange der Pflanzenproduktion gefährtet
werden kann, die wiederum Grundlage der Ernährung für Menschen und
Zuchttiere ist. Mit der Drei-Felder-Wirtschaft, also sozusagen mit einer
Schonzeit für Böden, und anderen Methoden beginnen dann die Landwirte,
wie vor ihnen die Jäger und Sammler, ein Blick für die Hege des Landes
zu entwickeln, das bearbeitet wird. Denn mindestens in frühen Zeiten,
ohne viel Technologie und Transportmöglichkeiten, muss die Hege im Sinne
der Pflege und Erhaltung der Naturgrundlagen für Jagd, Sammeln und
Anbau von Pflanzen und Zucht von Tieren ein sehr lebensweltnaher und
funktionaler Ethos gewesen sein. In anderen Worten: Kein Respekt vor der
Natur, kann für eine Siedlung, die auf ihren lokalen Boden und ihre
lokalen Naturgrundlagen auf Gedeih und Verderb angewiesen war schon
mittelfristig das Aus bedeutet haben. Aber auch für Nomaden, die ihre
größeren Kreise zogen und damit das ihnen zur Verfügung stehende Land
vergrösserten (und dabei andere Nachteile eingingen) war der Respekt vor
der Natur langfristig von ebensolcher Bedeutung. Lediglich für
marodierende Gruppen, die sich rücksichtslos und quasi bewusstlos, die
Hege durch Jäger, Sammler und Landwirte zunutze machten und schlicht für
den eigenen Bedarf plünderten, war ein bewusster Naturethos sozusagen
obsolet, oder nur von indirekter Bedeutung. Wenn man sich auf vulgäre
Weise und rücksichtslos einfach nimmt was da ist, dann geht das nur,
wenn andere da sind, die die Hege betreiben, bzw. das nicht entnehmen
(gegeben eine bestimmte Polulationsgröße). Sonst würde natürlich auch
für die marodierenden Gruppen die Lebensgrundlage angegriffen. Solche
Gruppen sind letztlich nur als parasitäre Kulturen der hegenden Jäger,
Sammler und Landwirte denkbar, nicht für sich alleine. Das, würde ich
sagen, gilt prinzipiell bis heute.
Nun, mein Verdacht ist, dass
wir heute in einer Gesellschaft leben, die sich soweit von der Natur
entfremdet hat, dass Nahrung für sie aus dem Supermarkt kommt, so wie
Strom und Wasser aus der Leitung. Wir sind großflächig zu relativ
vulgären Konsumenten geworden, die jeden funktionalen Bezug zu einem
Naturethos verloren haben. Respekt vor der Natur kennen viele nur noch
als schögeistige "Indianerphilosophie" und/oder als einen ästhetisches
Impetus. Ein drohendes schieres Verhungern ist kein Scenario mehr, dass
heute realistisch erscheint und - ironischerweise - wird ein Scenario
der Drohung durch Mangel auch als Rechtfertigungsgrund herangezogen für
eine Übernutzung. Da beisst sich natürlich die Katze in den Schwanz.
Durch
Industrie, Technologie und internationale Landnutzung usw. ist es
möglich geworden, dass wir mit Eintritt in die Epoche der
Überflussproduktion scheinbar das Risiko einer Apokalypse durch
Übernutzung abgeschafft haben. Es geht bei uns nur noch um den Grad des
Luxus, nicht mehr um das Überleben selbst. In dieser Situation sind wir
schon lange und man könnte denken, dass wir in der Folge sozusagen
kulturell verrohen, wenn man so will kulturelle Vulgärformen ausbilden,
die ähnlich den marodierenden Gruppen vor 3000 Jahren einfach nur blind
entnehmen. Die Frage ist ob wir uns das dauerhaft leisten können, oder
ob nicht das Risiko der Überwirtschaftung nicht abgeschafft, sondern nur
verschoben wurde und das an eine Stelle an der es nicht mehr so gut
sichtbar, aber dennoch vielleicht sogar umso gefährlicher und
bedrohlicher ist. Man sehe sich nur an: Die Folgen von Bodeerosionen in
großen Gebieten der Weltdurch die exzessive und industrielle Nutzung mit
Ihren Auswirkungen auf Flora, Fauna und damit dem Klima; Die vollkommen
unabsehbaren Folgen der eingesetzten Biotechnologie, insbesondere der
Gentechnologie auf Umwelt und letztlich auf uns menschliche Organismen;
Die unabsehbaren Folgen der Überfischung der Meere auf das Ökosystem
Meer und immer wieder: letztlich auf uns. Die Konsequenzen des riesigen
Energiebedarfs der Technologie, respektive Atomkraftwerke und ihre
Unfälle und andere nicht-regenerative Energieerzeugung wie z.B.
Kohlekraftwerke und die Luftverschmutzung durch sie; Die riesigen Mengen
an Müll und Schadstoffen, die wir unauffällig irgendwo verklappen oder
auch direkt in unsere Produkte integrieren (siehe hormonähnlich wirkende
Schadstoffe und andere Gifte in den Produkten, die uns täglich
umgeben). Das alles sind sozusagen akkumulierte Folgen des vulgären
Konsums, in dessen Schatten wir zu Wohlfühlethikern geworden sind, die
die langfristige und bitter lebensnotwendige Funktion und Rationalität
eines Naturethos aus dem Auge verloren haben, nämlich die
Nachhaltigkeit. Wir kleben das Wort "Bio" auf organische, also auf von
Haus aus "biologische" Lebensmittel und meinen damit, dass sie relativ
frei sein mögen von Schadstoffen und Giften. Wir lassen und erzählen,
dass mehr Produkte kaufen umweltfreundlich ist, weil sie vermeindlich
neuer und besser sind.
Aber letztlich lassen wir uns durch den Luxus
verführen die Konsequenzen des heutigen Wirtschaftens und der damit
verbundenen institutionalisierten Ideologie des immer-Weiter-wachsens
auszublenden, bzw. in andere Bereiche der Welt zu verschieben, also zu
externalisieren dahin wo wir sie nicht direkt sehen. Und wenn wir sie
sehen, dann in einer Distanz die es uns ermöglicht kurzweilig und quasi
zur Unterhaltung unsere Empörung an einer "Sonntag-Abend-Dokumentation"
oder einer Talkshow abzureagieren, um am nächsten Tag wieder in den
Supermarkt zu gehen und dort zu "auf Distanz zu marodieren".
Die
internationale Industrie, im Gegensatz zu Jägern, Sammlern und
Landwirten hat nie eine direkte Beziehung zur Natur gehabt. Von
vorherein hat sie, wie die marodierenden Gruppen aufgesetzt auf
Strukturen von Jägern, Sammlern und Landwirten und eine direkte
Verantwortung in Bezug auf die Natur nie entwicklen müssen. So viel es
geht, in so wenig Zeit wie möglich und das Limit ist das was die Jäger,
Sammler und Landwirte hergeben, nicht was die Umwelt "unbeschadet" und
nachhaltig hergibt. Und diese ausbeuterische, bzw, rücksichtslose
Mentalität des Zugriffs wurde durch monetäre Anreize bis heute immer
weiter zunehmend weitergegeben an die Strukturen, die letztlich die
direkten Verantwortungsträger sind oder vielmehr sein müssten, nämlich
Jäger, Sammler und heute natürlich zumeist Landwirte und kleine
Handwerker und Produzenten.
Die Ideologie, dass uns nicht die Natur
ernährt, sondern die durch die Industrie zur Verfügung gestellten
Arbeitsplätze tut das ihre, um dieses Unterwerfen unter die
Rücksichtslosigkeit des Zugriffs auf Natur an der Oberfläche zu
rechtfertigen.
Die gesellschaftlich bestimmenden Strukturen sind
heute entsprechend nicht mehr Jäger, Sammler und Landwirte, sondern die
marodierende Industrie, die Ihre naturethosfreie Ideologie zum
allgemeinen Stadard hat werden lassen. Auch wenn wir heute an dem Punkt
sind, an dem die Industrie für jeden sichtbar Ihre eigenen Grundlagen
zerstört, siehe z.B. Überfischung der Meere, um nur ein Beispiel zu
nennen, so scheint sie in Ihren Präferenzen in Bezug auf pekuniäre
Strukturen derart dominant geleitet, dass sie tatsächlich - wie ein
Krebsgeschwür - das System, das sie ermöglicht letztlich zerstört. Es
ist ihr offensichtlch aus eigener Kraft nicht möglich - selbst im
Angesicht des Abgrundes - ihre eigenen Strukturen auf Hege und Pflege
umzustellen, um so Nachhaltigkeit sicherzustellen. Das ist in gewisser
Weise auch nicht verwunderlich, denn das würde eine großflächige
Selbstdekonstruktion bedeuten. Und damit ist ganz sicher nicht
zurechnen. Denn aus der Perspektive der Industrie geht es natürlich um
ein "immer mehr".
Die Industrie in ihrer heutigen Form ist im
vorgetragenen Sinne eine Kultur der marodierenden Gruppen, die sich
durch die zur Verfügungstellung von Luxus und durch gleichzeitige
Externalisierung und Verschleiern der Folgen dieses Luxus bei uns
eingeschmeichelt hat ... und uns dabei letztlich in ihrem ideologischen
Würgegriff zu einem Lebens in vulgärem Konsum verleitet hat ...
genauergesagt: Wir haben uns verleiten lassen, dazu nämlich in
Supermärkten zu marodieren und die Industrie sozusagen für uns in
Stellvertretung in der Welt marodieren zu lassen. So können wir uns
weiter als Wohlfühlethiker gerieren, von Indianerphilosophie schwärmen,
bei ein paar Saltstangen uns von Talkshows unterhalten lassen und dabei
das hilflose Opfer spielen, das der bösen Industrie so hilflos
ausgeliefert ist.
Beitrag für Stockfischer.de