Wenn ich das richtig erinnere, dann ist das Elterngeld -so wie es jetzt ist- eingeführt worden mit der Begründung: Akademikerinnen (respektive Besserverdienede) bekommen zu wenig Kinder (Die umgekehrte Formulierung war wohl zu ... faschistoid?). Naja. Auf jeden Fall lag einer Ministerin der Gedanke nahe: "Wenn Kinderbekommen -gerade von Besserverdienenden- als Einkommensrisiko eingeschätzt wird, dann führen wir doch eine Art 12-monatige Einkommensausfallversicherung für frische Eltern ein."
Meine Fragen dazu beginnen schon bei den Begründungen: Wie wird begründet, daß das Elterngeld abhängt vom Einkommen der Eltern ausgezahlt wird?
Man könnte z.B. tatsächlich argumentieren: Elterngeld soll eben eine Versicherungsfunktion erfüllen. Das würde für mich aber auf rechtsstaatliche Probleme hinauslaufen. Der Staat ist nach meinem Verständnis keine Versicherungsanstalt für karriere Lebensrisiken. Die Existenzsicherung im Sinne eines Wohlfahtstaates z.B. ist ja auch keine Versicherung! Im Falle des Falles steht jedem Bürder, vom Grundgesetz gefordert (!), in gleichem Maße eine menschenwürdige Existenzsicherung zu. Bei einer ArbeitslosenVersicherung ist das natürlich ganz anders. Dort werden individuelle Lebensverläufe (Erfolg/Mißerfolg) in unterschiedlichem Maße, durch unterschiedliche Prämien abgesichert. In diesem Zusammenhang scheint es mir auch nicht fremd, das derjenige der mehr eingezahlt hat, ein Mehr an Versicherungsleistung bekommt. Fremd wird mir diese Idee jedoch wenn sie allgemein auf den Staat übertragen wird. Steuergelder sind keine Versicherungsprämien!!! Ein höherer Steuersatz berechtigt nicht einen höheren Anspruch auf staatliche Leistungen. Was wäre das auch für eine Verständnis? Welchen Sinn hätten dann Steuern? Mit Rechtsstaat (Art. 3 GG) hat das dann nicht mehr viel zu tun.
Früher gab es 600 DM Elterngeld, bzw Erziehungsgeld für jedes Elternpaar. Das entspricht an dieser Stelle mehr meiner Vorstellung eines Staates, der unvoreingenommen gegenüber seinen Bürgern ist (Respekt und Demokratie). Muss der Staat bei der Auszahlung von Leistungen nicht unvoreingenommen sein gegenüber Herkunft, Einkommen, Karriere pipapo (Art. 3 GG)? So wie z.B. auch staatliche Leistungen zur Existenzsicherung ggf. jedem in gleichem Maße zustehen, unabhängig von seiner Vorgeschichte. An solchen Stellen habe ich zuverlässig das Gefühl: der Staat sollte nicht mit einer Versicherungsanstalt verwechselt werden, sonst wäre da etwas falsch verstanden!
Ist es nicht vielmehr so, dass das Elterngeld -so wie es jetzt konstruiert ist-, also abhängig vom Einkommen der Eltern, eine Art "zweckgebundene von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge-Steuererleichterung" ist? Diejenigen mit einem höheren Einkommen bekommen sozusagen zweckgebunden (Elternschaft) einen grösseren Teil der von allen eingezahlten Steuern zurück. Das hat für mich -wie gesagt- mehr mit einer Einkommenversicherung zu tun, als mit einer Förderung von "Eltern" im allgemeinen. Aber auch die anderen grossen Ideen, der in diesem Fall impulsgebenden Ministerin sind ja äusserst merkwürdig. Was eine Zensur z.B. mit Kriminalitätsbekäpfung zu tun hat, daß kann ich leider auch immernoch nicht verstehen. Was war das damals für ein seltsame politische Kampagne? (und auch rechtstaatlich für meine Begriffe massiv bedenklich). Das Muster ist aber nicht neu und auch hier ähnlich. Es wird ein positive Aussage formuliert gegen die kein gesunder Mensch etwas haben kann; in diesem Fall: "Eltern müssen gefördert werden" (Das hat im übrigen auch schon das BVG festgestellt). Und diese Aussage wird dann auf entsprechende Nachfragen so lange wiederholt bis die Leute glauben, das die Antwort etwas mit der Frage zu tun hatte.
Nach meinem Verständnis des Art 3 GG sollte der Grundsatz gelten: Wenn einzelne Existenzen aus dem Steuertopf aller abgesichert werden, dann sollte der Staat aus diesem Steuertopf keinen Einzelnen wegen seiner persönlichen Vorgeschichte/Karriere, gegenüber anderen bevorzugt behandeln. Wieso sollten -in der selben Situation (hier Elternschaft), die Eltern A dem Staat mehr Steuergeld(!) wert sein als die Eltern B?
Sobald man die Höhe von staatlichen Leistungen (Auszahlung von Steuergeld) vom Einkommen der Leistungsempfänger abhängig macht, entsteht ein merkwürdiger, indirekter Zusammenhang von "input" und "output" zwischen Haushalten und Staat (der einer indirekten Steuererleichterung zumindest sehr nahe kommt). Derjenige der mehr einbezahlt bekommt auch mehr heraus, zahlt also -in diesem Fall des Elterngeldes zweckgebunden- in toto weniger ein.
Solche Konstruktionen erscheinen mir wenig sinnvoll. Auch die Bezeichnung Elterngeld ist für mein Verständnis eher irreführend (wenn nicht boshaft), weil sie verdeckt, das (auch) hier zunächst mit einer alten sozialstaatliche Tradition gebrochen wird. Der Staat fühlt sich offensichtlich nicht mehr nur zuständig für eine Existenz(ab)sicherung in bestimmten Lebenssituationen, nein, er winkt im Sinne einer Leitkultur mit finanziellen Vorteilen (Bevorzugungen) bei einer entsprechenden Zweckerfüllung. Es sieht so aus, als ob der unmündige Bürger (aus welcher Absicht heraus auch immer, mit Steuern) gesteuert werden soll. Das Stichwort wäre hier Leitkultur. Andererseits geht es um etwas viel profunderes: Es geht darum aus dem Steuersystem versicherungsähnliche Leistungen herauszuziehen. Steuern werden dann rhetorisch als eine Art Versicherungsprämie dargestellt. Die Grundidee ein Staat sollte gerade so beschaffen sein , dass derjenige der mehr hat auch mehr beiträgt, die wird auf den Kopf gestellt.
Selten konnte man in einem einzelnen Gesetz so deutlich den paradigmatischen Bruch herauslesen, der in den letzten 15-20 Jahren in der Politik zu spüren war. Aber statt interessanter Diskurse zu sehen, bekommt man eher den Eindruck das entsprechende Grundsatzdiskussionen sehr dreist und penetrant mit schmierigen moralischen Plattitüden zugekleistert werden.
Offensichtlich besteht regierungs- und medienseitig im Moment kein Interesse daran einen zu beobachtenden Paradigmawechsel zu thematisieren oder auch nur den Sachverhalt angemessen zu begründen (also zu autorisieren, zu legitimieren). Es bleibt auf jeden Fall ein frappierender Unterschied im sogenannten vernunftgeleiteten Kalkül der Staatsführung (fka Staatsräson), ob der Staat den Bürger absichert oder ob er ihn versichert.