Letzt las ich an einer Kirche ein Schild mit den Worten “Der Herr ist Dein Hirte.” und als erstes dachte ich: “Was willst Du denn, ich bin kein Schaf.” und weiter dachte ich darüber nach, dass in unserer “aufgeklärten” Zeit das doch ein ziemlich abstossendes Paradigma ist. Jemand soll mein Hirte sein? Muss ich beherrscht werden? Die meisten würden wohl heute sagen: Nein, aber die anderen und deswegen spiel ich halt auch Schaf, besser ists, so schlimm wirds schon nicht sein. In den Tagen, nachdem ich dieses Schild sah, ploppten immer wieder ein paar Erinnerungen hoch, an Texte und Videos, die ich teils gerade erst, teils schon vor langer Zeit gelesen , bzw. gesehen hatte. Insbesondere Texte von Karl Popper, bzw. seiner Idee einer nicht-dogmatischen Logik der Forschung, die, so kann ich mich erinnern, früher einmal (so wie Kant) zur wichtigsten Lektüre unserer Politiker zu gehören schienen. Das ist heute wohl nicht mehr so, und ich muss zugeben: mehr denn je habe ich eine gewisse Angst vor Denkweisen, die uns als Gesellschaft nicht merken lassen, dass wir schon längst ein Mensch im Schafspelz geworden sind, der die Verantwortung nur zu gern seinem Hirten zuschiebt; und der nimmt diese natürlich nur zu gerne an. Denn der ist ja kein Wolf, sondern auch nur ein Mensch. Es scheint mir insbesondere so als würde sich in der Lebenswelt der Menschen mehr und mehr ein naiver Trugschluss breit zu machen, der die Relevanz der Unterscheidung von Verifikation und Falsifikation in Vergessenheit gebracht hat, so wie sie im besonderen Karl Popper deutlich gemacht hat.
Dieser Text ist nicht dazu da ein solches Defizit auszugleichen, schon weil er dafür einfach nicht gut genug ist. Aber er kann vielleicht bestenfalls einige Menschen, die sich noch daran erinnern was es bedeutet zwischen Falsifikation und Verifikation zu unterscheiden, dazu anregen weiter darüber nachzudenken was für Probleme auf uns zukommen werden, wenn dieser Unterschied (besonders in der Politik!) weiter verwischt wird, wir leichtfüßig unserer naiven Tendenz, unseren naiven Weltbilden folgen und uns politisch auf eine Ideologie der Verifikation, bzw. der des Induktionsschlusses einlassen.
Wir beobachten Schwäne und sehen: Schwäne sind weiss. Also kommen wir irgendwann zu dem Schluss: Alle Schwäne sind weiss. Aus vielen einzelnen Beobachtungen wird auf alle zukünftigen Beobachtungen geschlossen. Von der Vergangenheit wird auf Zukunft geschlossen: Ein Induktionsschluss. Diese Form der Generalisierung liegt uns nur zu nahe.
Und je mehr wir weisse Schwäne beobachten, desto mehr scheint sich unsere These zu betätigen und desto weniger sind wir gewillt unsere Hypothese aufzugeben, sondern neigen dazu sie über die Einführung von Ausnahmetatbeständen auszubauen und weiter zu halten. Das Induktionsproblem und seine Folgeprobleme!
Karl Popper setzt an die Stelle der Bestätigung die Prüfbarkeit. Das heisst in seinen Worten: an die Stelle der Verifikation tritt die Falsifikation. Das Paradigma der Falsifikation beschreibt den bewussten Versuch immer wieder nach Fehlern in unseren Theorien und Hypothesen zu suchen. Konrad Lorenz, der Karl Popper erkenntnistheoretisch sehr nahe stand, hat das für sich einmal recht neckisch so formuliert:„Überhaupt ist es für den Forscher ein guter Morgensport, täglich vor dem Frühstück eine Lieblingshypothese einzustampfen, das erhält jung.“ (Konrad Lorenz). Und an anderer Stelle formulierte er diesen Gedanken allerdings noch etwas präziser: "Wahrheit ist derjenige Irrtum, der den Weg zum nächstkleineren, am wenigsten Verstopft.", bzw. zitiert er Pater Adalbert Martini, der seine Formulierung noch folgendermaßen variiert: "Wahrheit sei derjenige Irrtum, der den Weg zum nächstkleineren am besten ebnet" (Konrad Lorenz)
Popper dazu: “Wichtig ist: Ich leugne nicht das viele unserer Theorien wahr sind. Ich behaupte nur, dass diese Wahrheit nicht mit Sicherheit erkannt werden kann. Das heisst wir können Sicherheit nicht erreichen. Das beste, das wir tun können ist immer wieder nach unseren Fehlern zu suchen, und das Lernen von unseren Fehlern. Man kann diese Methode als die kritische Methode bezeichnen.” (Karl Popper)
Was Karl Popper nun so interessant macht, das ist die Tatsache, dass er diesen Unterschied zwischen Verifikation und Falsifikation nicht nur als “Logik der Forschung” beobachtet, sondern, in “Die offene Gesellschaft und ihre Feinde” beobachtet er ebenso diesen Unterschied und eine entsprechende Relevanz dieses Unterschieds für politische Denkstile.
In “Die offene Gesellschaf und ihre Feinde” stellt er die These auf, das eine Ideologie der Verifikation, eine Ideologie des Induktionsschlusses einen Historizismus befördert, der verheerende Folgen mit sich bringt. Wikipedia dazu: “The work criticises theories of teleological historicism in which history unfolds inexorably according to universal laws, and indicts as totalitarian Plato, Hegel and Marx for relying on historicism to underpin their political philosophies….”
Historizismus ist letztlich der Versuch den Gang der Geschichte vorauszusagen. Karl Popper weisst in seinem Buch nach, das dieser Versuch auf einem Aberglauben fusst und schon aus logischen(!), nicht etwa aus moralischen oder humanistischen, Gründen zum Scheitern verurteilt ist.
Popper etwa zu Platon: “Platons Staattheorie ist im wesentlichen die Frage: Wer soll regieren? Und die Antwort Platons ist: Der Weiseste, der gleichzeitig der beste sein wird. Der soll regieren. Ich stelle eine ganz andere Frage dagegen, nämlich: Was können wir tun, um zu verhindern, dass -sagen wir - schlimme Dinge im Staat geschehen. Es handelt sich also nicht darum: Wer soll herrschen?, sondern wie können wir den Missbrauch der Gewalt im Staat zähmen und verhindern. Und das scheint mir ist die wirkliche Frage, die, in den sogenannten Demokratien, den modernen Demokratien zugrunde liegt. Es scheint mir sogar auch der Grundgedanke der athenischen Demokratie gewesen zu sein. … Die Wahlen haben vor allem eine negative Funktion. Man kann mit den Wahlen eine Regierung wegwählen. Das ist das Wichtigste. Eine Regierung muss absetzbar sein. Das ist das entscheidende Moment der Demokratie...“ (Karl Popper)
Neben Platon behandelt Popper in seinem Buch explizit z.B. den Philosophen Friedrich Helgel, dessen Historizismus sich vielleicht am kompaktesten in seinem Satz “Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.” fassen lässt. Wer aus der Geschichte die Zukunft abliest, für den verliert die Gegenwart als Ausgangspunkt für Verhandlungen seinen Wert, der ist z.B. schnell dabei Krieg als Notwendigkeit zu betrachten und entsprechend seiner jeweiligen Induktionsschlüsse anzugreifen.
Zu Hegel, im Gegensatz z.B. zu Kant sagt Popper entsprechend (in selben Interview): “Auf der einen Seite steht Kant, der den Frieden wollte und viel über den Frieden nachgedacht und darüber geschrieben hat… [z.B. in seinem Buch “Zum ewigen Frieden” ]…Ein ironisches Buch und ein sehr erstes Buch und ein Buch das zeigt, wie schwer der Weg zum Frieden ist und das doch nichts anderes übrig bleibt, als den Versuch zu machen, den Freiden auf Erden zu etablieren.
Und auf der anderen Seite steht Hegel, der lehrt, dass der Krieg eine Art Naturnotwendigkeit, oder eine Kulturnotwendigkeit ist, und das die Völker gegeneinander kämpfen müssen und auch dass das gut für die Völker ist, dass es die Völker sozusagen jung hält und am Leben hält, wenn sie nur miteinander Krieg führen.
Zwischen diesen beiden hat Deutschland entscheiden müssen. Und es ist die Tragik Deutschlands, dass sie dem falschen Propheten gefolgt sind und den falschen Propheten gewählt haben, den propheten Hegel. Das sie geglaubt haben, dass der Krieg eine Notwendigkeit ist und das der Krieg etwas ist, wo man, womit man hindurchgehen muss, um zu überlebe, dass es ihre Pflicht ist, gerade zu, Krieg zu führen. Das war die Tragik Deutschlands.” (Karl Popper)
Und so weiter über Platon, Hegel und auch Marx: Siehe “Die offene Gesellschaft und ihre Feinde”.
Popper weiter: “Es ist glaube ich ein Fehler eine geistige Führung zu erwarten. Der Staat ist nicht für diesen Zweck da. Der Staat ist dafür da, den Frieden unter seinen Bürgern zu garantieren und zu sichern. “ (Karl Popper)
Der Staat ist in dieser Perspektive nicht nur nicht dafür da geistige Führung zu geben, sondern er kann es schlicht nicht. Wenn Führung bedeutet: Verifizieren, Alternativlosigkeiten feststellen, Induktionsschlüsse zu fassen und entsprechend vorzugeben.
Der Staat ist hier - mit anderen Worten - eine Konstruktion, die es gilt methodisch, also durch rechtsstaatliche Verfahren gerade vor der Vereinnahmung durch Induktionsschlüsse zu schützen und solche so als politische Leitmotive auszuschliessen. Nicht, weil es keine Wahrheit geben kann, sondern weil, selbst wenn wir diese in der Tasche tragen würden wir keine Möglichkeit hätten diese als solche zu erkennen. Schon die Geschichte der Wissenschaft macht das deutlich, und das gilt ebenso für die Naturwissenschaften, denn: unsere Methoden, bzw. Vorannahmen bestimmen natürlich auch hier was wir daraufhin beobachtend realisieren. In “Die offene Gesellschaft und ihre Feinde” werden in diesem Sinne die totalitären Grundzüge einer Ideologie des Induktionsschlusses, quasi einer politischen Ideologie der Verifikation aufgeführt und es wird der Unterschied gezeigt, den eine “falsifizierende Politik” machen kann.
Wenn wir Politik basierend auf Induktionsschlüssen tolerieren, dann verfallen wir in gewisser Weise einer art naiven Ontologie, einer naiven Objektivität, die, wie z.B. auch Konrad Lorenz prägnant feststellt satanische Folgen zeitigt. (siehe hier)
Die Liste der Autoren, die man in diesem Zusammenhang anführen kann ist lang ; ja, wie Popper zeigt definiert die Verweigerung eines Endziels, der Verifikation, von Induktionsschlüssen geradezu die Logik der Wissenschaft.
Vor ganz anderem Hintergrund schreibt etwa Dirk Baecker in einem aktuellen Artikel: “Wir leben längst in einer Intelligenzgesellschaft, wenn „Intelligenz“ heißt, dass uns bisher noch zu jedem Überschwang auch eine ebenso über ihr Ziel hinausschießende Kritik eingefallen ist. “ (Dirk Baecker) Wobei er wohl hier lieber Wissensgesellschaft gesagt hätte, so kann man zumindest dem Artikel weiter entnehmen.
So schwer das für den ein oder anderen zu akzeptieren ist, es geht also gesellschaftlich nicht darum irgendein Endziel zu erreichen, so sehr eine solche Idee den Einzelnen leiten mag. Verfallen wir den Ideen von Verifikation, Feststellung und Dogma, so hat das gesellschaftlich fatale Konsequenzen. Das kann man nicht nur bei Karl Popper nachlesen; bei ihm eben aber an besonders prominenter Stelle.
Lange Zeit, ich möchte sagen bis weit in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, schien mir Popper, bzw. Kant maßgeblicher Orientierungsgeber für die Politik. Das hat sich dann irgendwann geändert, und was wir heute sehen scheint eine Rückkehr des “Zaubers Platons” zu sein, der sich implizit und explizit in der Politik immer weiter Raum verschafft, bzw. vom Souverän getragen wird. Fast als hätte es Denker, wie Karl Popper, Bertrand Russel und viele andere nie gegeben.
Dem “Zauber Platons” erlegen liegt es z.B. nahe bestimmte rechtsstaatliche Grundsätze fallen zu lassen. So hat eine Mehrzahl der Menschen heute z.B. scheinbar wenig Problem damit Präventiv- bzw. Angriffskriege zu führen und auch im Inneren den präventiven Einsatz von Staatsgewalt (z.B. präventive Haft oder Überwachung) zu akzeptieren und auch die Gewaltenteilung (z.B. Verwischung der Grenzen von Geheimdiensten und Polizei) zu tolerieren.
Woran kann das liegen?
Ein Grund könnte sozusagen in unserer Kommunikation, bzw. in unserer Sprachverwendung liegen, die weit mehr unsere Lebenswelt beeinflusst (differenziert) als wir das jeweils bewusst tragen; und dass wir uns von ihr Verführen lassen. Ich verkürze im folgenden noch krasser, aber sonst werde ich hier nie fertig.
Mit Philip Zimbardo kann man vielleicht eine halbwegs gescheite Verkürzung so einleiten:
"The System [die Kommunikation/Gesellschaft] creates a situation that corrupts [beeinflusst] the individuals. The System is a legal, political, economic, cultural background... So you want to change a person you have to change the situation..." (Philip Zimbardo)
Und es ändert sich viel und wir müssen uns verändern. Die Weltgesellschaft, bzw. Weltkommunikation steht vor der Tür und wenn man den Soziologen folgt kann man sagen, dass uns damit auf Dauer “Der Fremde” verloren geht, dessen kommunikative Zumutung wir einfach als quasi “barbarisch” verdrängen können. Verschiedene politische und ökonomische Kulturen konfrontieren einander mit Erwartungen strapazierenden Zumutungen und, ob bewusst oder nicht, damit konfrontiert, bleibt letztlich nur noch die Frage übrig: Was machen wir bei Enttäuschung unserer Erwartungen? Verändern wir unsere Erwartungen, oder behalten wir sie trotz Erwartungsenttäuschung bei? Lernen wir oder normieren (plausibilisieren) wir unsere Erwartungen? bzw. wenn wir uns diese Fragen nicht bewusst stellen: Merken wir überhaupt welche Zumutungen wir übernehmen, oder nicht?
Ein Gespräch zwischen Humberto Maturana und Heinz von Foerster, das ich vor einiger Zeit sah hat mich da auf die Idee gebracht, dass nämlich wichtige Unterschiede in sprachlicher Differenzierung, bzw. der Sprachverwendung, die die jeweiligen Kulturen mit sich führen, garnicht bewusst gesehen, sondern nur an der Oberfläche als Störung wahrgenommen werden (Was ja alles andere als Verwerflich ist. Im Gegenteil. Das ist immer die erste Möglichkeit zu Lernen, wie soll es anders gehen?)
Heinz von Foerster spricht in dem benannten Gespräch einen Unterschied in der Sprachverwendung an, den zum einen das englische Wort “Truth” und zum anderen das deutsche Wort “Wahrheit” mit sich bringen kann.
Und es ändert sich viel und wir müssen uns verändern. Die Weltgesellschaft, bzw. Weltkommunikation steht vor der Tür und wenn man den Soziologen folgt kann man sagen, dass uns damit auf Dauer “Der Fremde” verloren geht, dessen kommunikative Zumutung wir einfach als quasi “barbarisch” verdrängen können. Verschiedene politische und ökonomische Kulturen konfrontieren einander mit Erwartungen strapazierenden Zumutungen und, ob bewusst oder nicht, damit konfrontiert, bleibt letztlich nur noch die Frage übrig: Was machen wir bei Enttäuschung unserer Erwartungen? Verändern wir unsere Erwartungen, oder behalten wir sie trotz Erwartungsenttäuschung bei? Lernen wir oder normieren (plausibilisieren) wir unsere Erwartungen? bzw. wenn wir uns diese Fragen nicht bewusst stellen: Merken wir überhaupt welche Zumutungen wir übernehmen, oder nicht?
Ein Gespräch zwischen Humberto Maturana und Heinz von Foerster, das ich vor einiger Zeit sah hat mich da auf die Idee gebracht, dass nämlich wichtige Unterschiede in sprachlicher Differenzierung, bzw. der Sprachverwendung, die die jeweiligen Kulturen mit sich führen, garnicht bewusst gesehen, sondern nur an der Oberfläche als Störung wahrgenommen werden (Was ja alles andere als Verwerflich ist. Im Gegenteil. Das ist immer die erste Möglichkeit zu Lernen, wie soll es anders gehen?)
Heinz von Foerster spricht in dem benannten Gespräch einen Unterschied in der Sprachverwendung an, den zum einen das englische Wort “Truth” und zum anderen das deutsche Wort “Wahrheit” mit sich bringen kann.
Nun, um den Bogen ein bischn hervorzuheben, den ich hier gleich mit Zitatstücken aus dem Gespräch zu schließen versuche: Politik hat so oder so mit einer Philosophie der Wahrheit zu tun. Ob es nun im Sinne Platons ist, oder im Sinne Karl Poppers. Und wenn ich im folgenden Heinz auschnittweise zitiere, so hoffe ich, dass hervortritt in wie weit die Sprachverwendung im Beispiel des englischen “Truth” in der Politik eine platonische Sicht auf Regierung, bzw. eine platonische Zumutung an den Souverän provoziert, und die deutsche, bzw. lateinische Verwendung des Wortes “Wahrheit” eher eine im Sinne der Popper’schen Falsifikation.
Heinz von Foerster sagt: “ I was taken a little bit into the linguistic Problem of Truth and as in german “Wahrheit”. Wahrheit […] is derived from the latin Veritas, wich always requires a check, or allow a check. […] The english expression of truth is derived from trust. […] That means: in trust i dont have to verify. […] So the notion of trust and the notion of veritas are so fundamentaly different in the Relation of People to People. […] If i have to verify then i always [know] what i say is doubtful, but if i have trust in the others, then it is not doubtful, i do not doubt what he says […]” (Heinz von Foerster)
Man verstehe mich bitte nicht falsch. Ob jemand englisch spricht oder deutsch ist egal. Natürlich kann auch das deutsche Wort "Wahrheit" in der Kommunikation so verwendet werden, dass es der hier als englischen Semantik beschriebenen Konzeption entspricht . Entscheident ist der Sprachgebrauch, nicht welche Laute man ausspricht.
Diesen interessanten Unterschied zwischen “Trust/Truth” und “Veritas/Wahrheit”, den Heinz von Forsters anspricht (und der mir hier einfach gut geeignet scheint ein Semantikproblem zu markieren) ergänzt Humberto Maturana dann noch um gleich folgende Aussage, die deutlich macht, dass man sich keine Sorgen machen muss, dass die beiden hier das Wort "verify" im Sinne einer erkenntnistheoretisch naiven, bzw. verheerenden Verifikation meinen, wie sie Karl Poppers entlarvt hat. Ganz im Gegenteil, beide erweitern quasi die Erklärung von Poppers Falsifikation um eine soziale Komponente, die - wenn man so will - Wahrheit/Trust und Verantwortung untrennbar verschweißt.
Humberto Maturana: "Trust has to do with what we can do together without doubting ... while verification has to do with [the question of] "what operations shall we accept to accept the statement as being valid?" (Humerto Maturana)
Wenn wir also Wahrheit in der Politik wollen, dann müssen wir uns damit anfreunden, dass diese zum einen als ein niemals endender Prozess über rechtsstaatliche Verfahren institutionalisiert werden muss, und zum anderen begleitet wird von niemals endenden Fragen an den Souverän (Nicht an die Regierung/Opposition!) welche Verfahren noch akzeptiert werden. Und in genau diesem Sinne liegt die Verantwortung beim Souverän, nicht bei irgendwelchen Parteien. Wir müssen uns vor “Propheten” hüten, die das gerade (aus welchen Motiven heraus auch immer) nicht wollen und geneigt sind Wahrheit festzulegen, um im platonischen Sinne herschen zu können; und sei es sozusagen negativ über rhetorische Derivate des Spiels mit der Idee der Alternativlosigkeit.
Es ist nicht die Aufgabe des Souverän zu wählen und die Verantwortung an die gewählten abzuschieben. Es ist die Verantwortung des Souverän abzuwählen.