Dienstag, 11. Oktober 2016

Worte waren mal leer

Wir alle wissen, wie man beliebige, zur Not selbsterfundene Worte als Bezeichnungen für etwas bestimmtes erfinden kann. Ein zunächst noch inhaltsleeres, also völlig offenes Geräusch oder Zeichen kann, im gemeinsamen, wiederholt vollzogenem Bezug auf etwas, seine ersten Freiheitsgrade verlieren und Bezeichnung für Etwas im Unterschied zu allem anderen werden.

Zwei oder mehr Beobachter, die ein solches Wortspiel spielen, die können nun etwas beobachten, wenn Sie die Bezeichnung nicht nur im Kopf behalten, sondern ab sofort im Bezug auf etwas nun Bestimmtes über die Situationen hinweg verwenden. Es kann z.B. beobachtet werden, dass die Freiheitsgrade der Verwendung von Bezeichnungen über die gemeinsame Geschichte hinweg zunächst weniger werden. In den jeweiligen Verwendungen gibt es sozusagen semantische Verfransungen an den Rändern. Das "Etwas" wird im Fortgang nicht nur unterschieden, von allem anderen auf einmal, sondern von bestimmten anderen Unterscheidungen und so spezifiziert sich eine ursprüngliche Generalisierung in einer Erlebens- und Erwartensgeschichte. Allerdings bleibt die andere Richtung, die Re-Generalsierung immer wieder möglich. Und so kann man Kommunikation auch als das Bearbeiten einer Differenz von Generalisierungen und Spezifizierungen von Unterscheidungen in einer gemeinsamen Geschichte beobachten. Die kommunizierenden Beobachter können so mit ihren Generalisierungen und Spezifizierungen Erfahrungen sammeln. Sie können lernen, bzw. sich überraschen lassen. Sie können sich damit sozusagen die Beulen an ihrer Wirklichkeit zuziehen.

Worte waren mal leer, ist strenggenommen also falsch (Aber es klingt gerade als Titel einfach so gut), ausser mit dem wenig weiterführenden Zusatz: "... bevor es Worte waren, sondern noch bloß Geräusche". Direkt mit Ihrer Einführung als Bezeichnung handelt "es" sich um Worte, die Zumindest schon mal "Etwas" von "Allem anderen" unterscheiden, also strenggenommen nicht ganz leer sind (weil sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit schon weitere Verwendungsmöglichkeiten einschränken).

Wir können uns also an unterschiedlichen Bezeichnungen und ihren Verwendungsweisen in Situationen orientieren und gemeinsam mit entsprechend aufgeladenen Bezeichnungen fka Begriffen Erfahrungen vergleichen. Das ist gut. Weil wir so unabhängig von irgendeinem Wahrheitsgehalt einer Aussage irgendwie beginnen können und uns daraufhin dann überraschen lassen können zu lernen. Problematisch, bzw. anspruchsvoll wird, dass wir das dann auch in zunehmendem Maße müssen. Wie wir mit Überraschungen, also Erwartungsenttäuschungen, oder noch anders gesagt: mit informativen Momenten umgehen unterscheidet sich. Einmal können wir Begriffe vor dem Hintergrund normativer Annahmen aufbauen. Dann wird sozusagen ggf. trotz ständiger Erwartungesenttäuschung in Bezug auf bestimmte Begriffe "stur weitergewunken". Wenn man so will: ein kontra-faktischer Ansatz. Oder wir können angesichts von Erwartungsentäuschungen die Verwendung unserer Begriffe ändern, wir können unsere Erwartungen vor dem Hintergrund einer "offenen Wahrheit", bzw. einer offenen Zukunft anpassen und bestenfalls präsizieren.

Das Verhältnis zwischen Begriffen, bzw. die Einschränkung ihrer Verwendung mit dem man "Alles andere" differenziert - fka eine Theorie über Etwas - ist sozusagen über unsere Kommunikation eigenen Erlebens überindividuell umweltsensibel. Und ob wir eher normativ oder kognitiv reagieren, dass weiß in der jeweiligen Situation der Geier. Das finde ich bei allem begründbaren Pessimismus, eine relativ positiv stimmende Tatsache.