Freitag, 19. Februar 2010

Von Tante Emma zum Supermarkt und über das Netz zurück

Ersteinmal glaube ich, das sich die Funktion von Supermärkten bis heute weitgehend verändert hat und das sich diese Funktion auch noch deutlicher verändern wird. Früher war der Supermakrt eher Provider von Produktvielfalt. Heute ist der Supermarkt eher Provider einer Grundversorung mit einem Standardprogramm.

Sagen wir mal: in den 40er und 50er Jahren war die prägende Distributionsstruktur eine von vielen, regional verteilten und kleinen Tante-Emma-Läden. Das Warenangebot war nicht umfangreich, aber es hat eine Grundversorgung gesichert. Dann wurde es durch die zunehmenden Mobilität der Kunden in den 50ern für Tante Emma attraktiv billig grössere Verkaufsflächen "auf der grünen Weise" anzumieten. Durch eine grössere Verkaufsfläche war auch eine grössere Produktvielfalt ermöglicht und diese lockte sozusagen die mobilen Kunden auf die grüne Wiese. So rentierte es sich für Tante Emma zum Supermarkt zu werden. Dieses Prinzip lässt sich ja weiterdenken bis zur Entstehung dieser gewaltigen Supermarktketten heutigen Zuschnitts. Das Argument für den Kunden zum Supermarkt zu fahren war im Prinzip die Produktvielfalt. Die Distributionsstruktur stellte sich langsam um: von kleinen dezentralen Verkaufseinheiten hin zu grossen zentralen Verkaufseinheiten.

Es kam so langsam das Konzept Supermarkt auf und hunderte von Quadratmeter Ladenfläche wurden üblich. Statt vieler kleiner dezentraler Verkaufseinheiten setzten sich langsam zentrale Supermärkte durch, die auf der grünen Wiese mit einer riesigen Auswahl an Produkten attraktiv waren. Das so konzentrierte Zusammenführen von Angebot und Nachfrage bringt bis heute viele Vorteile für Supermarkt, Produzenten und Kunden. Der Supermarkt ermöglicht sich so bessere Kostenstrukturen gegenüber einem Tante-Emma-Laden, kann so bessere Preise machen und verdrängt schliesslich den Tante-Emma-Laden. Produzenten gewinnen höhere Umsatzwahrscheinlichkeiten und damit die Möglichkeit ihre Organisation rationaler zu differenzieren. Der Kunde gewinnt (durch einen grösseren Marktplatz und den damit verbundenen Vorteilen für Produzenten und Supermärkte) ein weit differenziertes Produktprogramm und kauft deshalb im Supermarkt.

Allerdings hat sich natürlich die Vorstellung davon: was ist Vielfalt? heute in beträchtlichem Maße verändert. Schnell wird klar, das mit den neuen Möglichkeiten des Netzes einzelne Marktplätze von einer Grösse entstehen, die garnicht mehr als räumliche Läden gedacht werden können. Im Netz werden Produkte in einer Vielzahl angeboten, die nicht mehr durch einen physikalischen Verkaufsraum gedeckt werden können. Das verschiebt das was die Menschen als vielfältiges Produktprogramm unterscheiden und wahrnehmen; indem sie schlicht vergleichen.

Den Kunden durch Vielfalt zu faszinieren ist heute für Supermärkte nicht mehr so möglich und auch nicht mehr nötig. Genau genommen gibt es noch etwa 5-6 grosse Vereine, die so ziemlch alle Supermärkte in Deutschland bestücken. Vielfalt ist heute für die Menschen etwas anderes.
Allerdings sollte man die Funktion die Grundversorgung mit dem Lebensnotwendigen zu sichern nicht gering schätzen (im Gegenteil. Damit wird schliesslich die meiste Kohe gemacht). Eigentlich glaube ich, das die ganzen Markenversprechen die in den letzten Jahren von den Produzenten abgegeben wurden platzen und zu einer Entzauberung der Industriemarken beitragen. Die Kunden könnten verstehen, das Industriemarken im Prinzip nur verschiedenfarbige Aufkleber sind, die das Produkt auf eine Weise darstellen, die -gelinde gesagt- albern ist.

Die klassische Distrubutionsstruktur über Supermärkte hatte offensichtlich einen Markt erzeugt, auf dem die beteiligten Firmen so gewachsen sind, wie sie eben gewachsen sind. Und sie hat auch zur Folge gehabt, das sich Produktionsweisen auf diese Struktur eingestellt haben. Aber nicht nur das. Supermärkte als Distributionsstruktur haben auch die traditionellen Herstellungsverfahren und ihre Rezepturen stark verändert. Schon die Notwendigkeit Produkte haltbarer zu machen, weil der Durchlauf durch diese Distributionsstruktur, vom Produzenten, bis ins Regal,... dann muss es im Regal noch liegen können, und der Kunde will zuhause dann auch noch ein paar Tage etwas davon haben ..... das klingt trivial, aber die Konsequenzen der Tatsache das Distrubutionsstrukturen natürlich immer Rückwirkungen in Punto 1. Vielfalt, 2. Qualität und 3. Gesellschaft erzeugen wird selten nüchtern mitgedacht (aber immer mitgekauf!)

Kurz: Früher ist man in den Supermarkt gegangen, weil die Produktvielfalt gelockt hat. Heute lockt die Vielfalt verfügbarer Produkte ganz woanders und der Supermarkt muss sein Dasein irgendwie anders rechtfertigen (z.B. durch einen 24h Service; was im Prinzip nur den hier angesprochenen Funktionswechsel unterstreicht: der Supermarkt verliert seine Funktion als Provider von Produktvielfalt und konzentriert sich viel ausschliesslicher auf seine Funktion den Grundbedarf der Kunden zu befriedigen und macht sich wieder lokal attraktiv).

Es gibt aber gottseidank in den Regionen noch viele kleine Produzenten, die, an den Supermärkten vorbei, in ihren Nischen überlebt haben. Und für diese kleinen Prouzenten ist es nun möglich ihre Produkte auf eine Weise am Markt zu positionieren, die für sie früher schlicht nicht möglich war. Letztlich ist es ja eine alte Idee, das die vielen kleinen Produzenten, im Zeitalter des Netzes, einen Vorteil vor den grossen Produzenten haben können. Nur um diesen Vorteil zu realisieren müssen kleine sich vernetzen. Wenn jeder kleine Produzent meint, das Netz bietet im jetzt die Möglichkeit so zu werden wie die Grossen, dann liegt er einfach falsch. Es geht meiner Ansicht nach eher um heterarchische Vernetzung als um Fusionen von Kleinen zu Grossen. Das ist wichtig.

Gut vorstellbar, das es in dieser Richtung weiter geht: Supermärkte leisten die Grundversorgung und aus dem gut geführten "Tante-Emma-Spezialitäten-Laden-im-Netz" bestellen wir uns die Besonderheiten.