Wenn man eine bestimmte erkenntnistheoretische Position einnimmt, wie kann man dann sowas wie Patente und Urheberrecht beschreiben? Folgend wird eine konstruktivistische Perspektive angedeutet, aus der heraus diese Frage bearbeitet wird: Was machen eigentlich Menschen mit Menschen, wenn sie Urheberrecht auf sich anwenden? Wie kann man das auch beschreiben? Wie immer mute ich meinen Lesern ein diffus-eklektizistisches Gedankengeschwurbel zu, und dafür möchte ich mich an dieser Stelle feierlich nicht entschuldigen.
Die konstruktivistische Idee ist: Das Bewusstsein entsteht aus der unfassbaren Komplexität der rekursiven Organisation biologischer Prozesse und setzt sich schließlich als emergentes autopoietisches System aus Ereignissen von diesen biologischen Prozessen ab, wirkt auf diese zurück, und in einem Prozess der Abweichungsverstärkung stellt sich Bewusstsein dann auf ein breites prozessives Fundament. Das Bewusstsein bleibt aber immer auf die Grenzen, der biologischen Entität angewiesen. Nicht "die Welt da draussen" ist Umwelt des Bewusstseins, sondern der Organisamus. Es beobachtet nicht "Welt an sich", sondern z.B. biologische Prozesse, in die es eingebettet ist. Das gilt sozusagen auch für Ausserirdische, für jedes Bewusstsein. Anderes ist das empirisch wohl nicht haltbar. (Siehe Thema “Selbstorganisation in kognitiven Systemen”, zur Not hier)
Im Grunde kann man sich diese Theorie grundsätzlich ganz gut vorstellen, wenn man mit dem Begriff "MIDI" etwas anfangen kann. Bei MIDI geht darum, dass ein Interface getrennt wird von einem Klanggeber. Das Interface, gewöhnlich eine Pianotastatur, leitet nur die MIDI-Daten Information : 1. Tonhöhe, 2. Tonlänge, 3. Tonlautstärke weiter, nicht den Klang selbst. Diese Daten werden dann im Klanggeber einem spezifischen Sound zugeordnet und als Klang ausgegeben. Und in diesem Sinne kann man sich vorstellen, dass unsere Sinnesorgane sowas wie eine Tastatur sind, bzw. unser Körper, respektive unser Gehirn, den Klanggeber in diesem Beispiel repräsentieren. Welt, die beobachtet werden kann ist konstruiert innerhalb der Grenzen des beobachtenden Systems. Tastatur und Klaggeber muss man sich in einer gemeinsamen Organisation verbunden vorstellen. Sinnesorgane und das Zentralnervensystem sind sozusagen funktional differenzierte Instanzen einer autopoietischer Organisation. Man muss sagen: Der Klang, den wir hören ist erzeugt durch unseren Organismus, nicht direkt durch schwingende Luft. Schwingende Luft moduliert nur was in diesem MIDI Daten Beispiel die Pianotastatur darstellt. Schwingende Luft an sich hat keinen Klang, sowie elektromagnetische Wellen an und für sich keine Farbe haben.
Diese schlecht -quasi nur religiös- zu leugende Tatsache über die Grenzen unserer Wahrnehmung lässt uns nun Patent-, bzw. Urheberrecht auf eine ganz besondere Art und Weise beschreiben. Z.B.: Wenn eine Firma eine Farbe für sich rechtlich schützen lässt, so das diese nur noch mit Genehmigung der Organisation entsprechend verwendet werden kann, dann könnte man auch sagen: Es wird eine Fähigkeit der Menschen, nämlich Farben zu konstruieren und zu assoziieren rechtlich geregelt. Das klingt zwar erstmal dramatisierend und zu abstrakt, doch so ist es garnicht gemeint, denn: so ist es konkret; so psychologisch gesehen. Deswegen verbietet sich eine Reaktion im Sinne von: “Das wäre ja schlimm”. Mit Patenten und Urheberrechten regulieren Menschen das Verhalten, Erleben und die Interaktion von Menschen in ihrer Umwelt!
Man kann also sagen, soziologisch, psychologisch, wie auch immer: Assoziationen, die mit bestimmten Formen, Farben und Klängen verbunden sind, werden, bzw. das Verhalten von Menschen, das diese Assoziationen hervorruft, wird, unter Genehmigungspflicht gestellt. Wenn man so will ist das im Prinzip eine Liga mit dem was wir als Neusprech aus dem Roman 1984 kennen. In diesem Sinne war auch damals schon 1984 kein Zukunftsszenario. Es stellt sich mir hier aber garnicht so die Frage nach dem Sinn und Unsinn von Urheberrecht im Allgemeinen (Der Hinweis auf 1984 bot sich nur aus dramaturgischen Gründen an), ich möchte nur darauf hinweisen, dass man Urheberrecht und. Patente psychologisch, bzw. soziologisch so ähnlich beschreiben kann, wie es hier getan wird, ohne damit direkt ein moralisches Urteil zu verbinden. Es ist einfach so zu beobachten.
Welchen Nutzen, bzw. welche Risiken kann man sehen, wenn man Urheber-, bzw. Patentrecht aus einer solchen Perspektive analysiert? Welche Konsequenzen hat es, wenn Menschen auf die Idee kommen, spezifische Wahrnehmungen, bzw. spezifischenes Verhalten von menschlichen Organismen, ihre Fähigkeit auf eine bestimmte Weise zu assoziiieren, urheberrechtlich zu kontrollieren.
Man muss nicht lange überlegen was Begriffe, wie z.B. “Geistiges Eigentum”, mit "kollektiver Verhaltenskontrolle" zu tun haben. Und hier ist der Begriff "kollektiver Verhaltenskontrolle" garnicht verschwörungstheoretisch gemeint. Interessenskonflikte und entsprechende Dilemmata, die kollektiv bindende Entscheidungen bedürfen, ergeben sich ja auch völlig ohne geheime Mächte; für jeden von uns. Mit anderen Worten Politik, Recht und Gesetz bedarf es so oder so, ob es geheime Mächte gibt, oder nicht. Ich meine ja nur: Man kann beobachten, dass wir mit dem Urheberrecht in die Freiheit eingreifen mit den Dingen, die wir in unserer Umwelt vorfinden, auf eine unvoreingenommene Weise umzugehen und uns so auf bestimmte Weise auszudrücken. Das ist nach heutiger Logik eine wichtige Grundlage unserer Wirtschaft. In der Vergangenheit und der damaligen Begrenztheit unseres möglichen Wirkungshorizontes mag diese Logik eine “in-Gang-bringende” Wirkung auf grosse Wirtschaftentitäten gehabt haben, die wiederum wesentlich für eine schnelle und flächendeckende Bedürfnisbefriedigung durch Wirtschaft gesorgt haben. Heute -im Computerzeitalter- aber scheint eine so formulierte Verhaltenskontrolle selbsteinschränkend, auf eine Weise, die den Einzelnen auf merkwürdige Weise entmündigt, in seiner Kommunikationsfähigkeit einschränkt und so eine innovative kulturelle Entwicklung hemmt, ohne dabei im allgemeinen Interesse zu sein.
Sehr zu begrüssen ist auf jeden Fall, dass das Urheberrecht so-oder-so etwas wie ein Ende kennt und nach dem Ablauf des Patentschutzes, etwas dezidiert frei ist. Mir stellt sich nur die Frage, ob ein Laufzeitende, so wie wir es kennen, ausreichend ist; ob mit den modenren Medien und deren Einbeziehung des Benutzers, ein Urheberrecht so wie wir es kennen, nicht nur extrem kontraproduktiv ist, sondern auch aus ethischen Gründen zu weit geht, weil es die kulturelle Entwickling des Menschen auf extreme Weise schmalspurig macht und deswegen neuformuliert, bzw. offener gestaltet werden muss.
Die Regelung von Eigentum an Daten, Herstellungsprozessen, Farben, Formen, Logikpatenten, Genpatenten, Wörter, Phrasen, Klänge usw. ist eine Schlüsselkompenente der kulturellen Entwicklung einer Gesellschaft, und eine Gesellschaft scheint gut beraten, wenn sie ihr Urheberrecht mit der gesellschaftlichen Entwicklung verändert. Wenn man Wandel auf eine innovtive, also unvorhersagbarer Weise zulassen möchte, scheint es dann nicht sinnvoll, dass der Benutzer als Konstrukteur von kulturellen Leistungen mit ins Kalkül genommen wird? Schon weil ein einzelner Schöpfer von “etwas aus dem Nichts” schlecht vorstellbar ist; höchstens in einer Art religiösem Sinne; und selbst dabei bekäme das ganze als vorgeschobene rechtsphilosophische Grundlage eines Urheberrechts einen blasphemischen Beigeschmack, schon deswegen sollte man wohl nachdenklich werden. Der Nutzer ist eben nicht mehr nur Rezipient, er ist schon heute in extrem hohen Maße Miterzeuger/Autor im Medium. Und er ist nie voraussetzungloser Erzeuger/Autor, er ist zunächst immer auch Rezipient. Aber vor allen Dingen scheint es mir denkwürdig, weil es letztlich um die Regulation von Kommunikation in der Gesellschaft geht.