Freitag, 3. August 2012

Unterscheidungen, Codierungen, Programme und Funktionssysteme

Unsere Kommunikation (jetzt mal grad nicht sich die Innenansicht eines Bewusstseins vorstellen, das sich an Kommunikation beteiligt, sondern Assoziationen aufrufen, die so in die Richtung gehen dass unsere Interaktionen im Wechselspiel des sich gegenseitig Konstruierens und Latenzenvorhaltens eine gewisse Eigendynamik im "Zwischenuns" entstehen lassen, von denen wir unsere bewussten Bewertungen des Geschehens abhängig machen)... All unsere Kommunikation kann man als komplexe binär codierte Selbstprogrammierung der Gesellschaft beschreiben (vgl. Luhmann, N. (1986) Distinctions directrices)

Auf der generalisiertesten Ebene lässt sich zunächst sagen: Auf alles was gesagt wird, lässt sich mit Annahme oder Ablehnung und entsprechenden Argumenten reagieren. Die Kommunikation als System hat keine inhärenten Sperren, die zur Annahme oder Ablehnung bestimmter Kommunikationen zwingen würden. Welcher Inhalt angenommen, oder abgelehnt wird, bzw. so auf die ein oder andere Weise Resonanz findet, das ist im wesentlichen abhängig von der Umwelt der Kommunikation (Der Inhalt wird wenn man so will durch den "Träger", bzw. das "Medium" Kommunikation nur codiert, die entscheidenden Unterscheidungen bezüglich des Umganges mit Programmen und ihrer Auslegung werden in der Umwelt forciert, bzw. irritiert). Und das ist Bewusstsein; bzw. die Fähigkeit wahrzunehmen, also in unserem Fall hier sehr sehr viele parallele Operationen laufend und lernfähig zu synchronieren und die diesen Operationen inhärente Ambiguität und zeitliche Instabilität zu nutzen, um in sehr hoher Frequenz zwei Dinge in einem Schritt zu tun: 1. Zu unterscheiden, also zwei (gleichzeitige) Seiten erzeugen und 2. eine dieser Seiten bezeichnen, also sich für den Moment auf einer Seite der Unterscheidung zu positionieren (um im nächsten Schritt die Seite zu unterscheiden, also zwei Seiten zu erzeugen, sich auf einer zu positionieren, usw.). Man kann sich also ganz viele iterative Operationen vorstellen, die jeweils iterativ unterscheiden und Bezeichnen in einem Schritt und dann einen Schritt auf den nächsten folgen lassen müssen. So wie es im Gehirn ganz viele jeweils für sich operierende Kerne gibt, die durch (einzelbewusstseinsunabhängige) Kommunikation in sonst nicht denkbarer Weise synchronisiert und initiiert werden. Es entstehen Ordnungsmuster, bzw. Ordner im Sinne von Hermann Haken (vgl. http://emergenz.hpfsc.de/html/node14.html ). Das Bewusstsein macht sich abhängig von einem System höherer Ordnung, der Kommunikation. Annahme oder Ablehnung und Plausibilisierung?

Das gilt gleichsam schon auf der konkretesten Ebene. Man kann schlicht nichts bezeichnen, oder interpretieren, das nicht von etwas anderem unterschieden wird. Man denke an einfache Adjektive. Schon die blosse Verwendung von Wörtern impliziert bei Zuhörern, das ein Unterscheidungsspiel beginnen kann. Jemand will z.B. etwas beschreiben und sagt: "spitz". Dann sind wir als Zuhörer sofort versucht einen Zusammenhang zwischen zwei Seiten einer Unterscheidung aufzuziehen, in diesem Fall z.B. spitz/stumpf, spitz/frigide oder z.B. spitz/steffen (hier wären Mark Spitz und Britta Steffen gemeint, beides Olympiasieger im Schwimmen; Egal). Ein Wort ist nicht nur ein Wort, sondern bei seiner Verwendung fährt sozusagen unter der Wasseroberfläche immer die andere Seite einer Unterscheidung mit, die letztlich auch bei der Verknüpfung assoziativer Zusammenhänge relevant ist. Worauf ich hinaus möchte? Unsere Kommunikation lässt sich als binär codiert beschreiben, weil sie mit Unterscheidungen arbeitet (siehe Luhmann) und trotzdem: im Alltag sträuben wir uns hartnäckig einen Blick darauf zu riskieren, was unter der Wasseroberfläche mitfährt.

Es ging ja aus der Sicht von Bewusstseinssystemen ja nie bloss um pauschale Annahme oder Ablehnung unabhängig welches Geräusch einem gerade entgegenschlägt. Die Differenziertheit unserer heutigen Gesellschaft/Kommunikation lässt das schon garnicht zu und lässt sich natürlich nur noch erklären, wenn wir, wie ja auch jedem über sein eigenes Erleben zugänglich, davon ausgehen, dass auf der Seite der Bewusstseine sehr voraussetzungsreich unterschieden, bezeichnet und entschieden werden muss, um damit bestimmte gesellschaftliche Ordnungen zu tragen. Generell: Je höher die Vielfalt und je anspruchsvoller das Vorausgesetzte von Mitteilungen, desto hoeher die Wahrscheinlichkeit, dass abgelehnt wird. Unsere Gesellschaft würde aber ihre Struktur verlieren, wenn auf Kommunikationen beliebig mit Ja, bzw. Nein reagiert würde. Irgendwie muss sichergestellt werden, dass wir ein Rechtsstaat bleiben, auch wenn nicht jeder die Ausbildung und Erfahrung eines Verfassungsrichters mitbringen kann. Eine differenzierte Gesellschaft muss also ihre Umwelt (Bewusstseine) ausreichend und entsprechend so motivieren, dass sie auf sehr voraussetzungsreiche Weise auf die Annahme, bzw. Ablehnung von Kommunikation reagiert. Wird etwas als wahr oder falsch behandelt? oder als recht oder unrecht, usw.? Neben der Tatsache, dass natürlich jeder seine eigene Perspektive, z.B. auf wahr/falsch aufmachen muss, gibt es aber im System der Kommunikationen, in der Gesellschaft Differenzierungen, die das Bemühen vieler, die z.B. die Unterscheidung wahr/falsch bearbeiten, füreinander anschlussfähig machen. Die Wissenschaft wird als ein Funktionssystem beschrieben, dass die Unterscheidung wahr/falsch als binären Code quasiidealisiert (und damit letztlich schon dekonstruiert hat). [*Unterscheidung wird hier plötzlich als binärer Code bezeichnet, weil: im Unterschied zur (abstrakteren, generalisierteren, schlichteren) Unterscheidung soll Code hier eine bestimmte Rolle in Funktionssystemen mitbezeichnen,die, wen wird es wundern, einen Unterschied macht.] Funktionssysteme (z.B. Wissenschaft) domestizieren nämlich ihre Präferenz für die die eine Seite des Codes (Wahrheit) über sogenannte Programme (Methoden) und verwandeln so den laufenden Strom unterscheidlicher Beobachtungen von unterschiedlichen Beobachtern in einen überindividuell referenzfähigen Beobachtungsmechanismus; mit eigener Geschichte und mit eigenem Gedächtnis. Methodengeleitete Beobachtungen geben eine gewisse (im wesentlichen trügerische) Sicherheit in Bezug auf Entscheidungen, die die Annahme, bzw Ablehnung von Kommunikationen betreffen. Wenn man keine bessere Idee hat, liegt es nahe eine wissenschaftliche Offerte erstmal anzunehmen. Der Kampf zwischen den Ideen findet dann immer in der Wissenschaft selbst statt, in einer Arena, die aus wissenschaftlichen Beobachtern besteht, die ständig bemüht sind sich selbst zu widerlegen und sich freuen, wenn sie und andere Forscher es nicht schaffen, trotz methodengestähltem Blick. (Das Bild der Arena vielleicht mal kurz kommen lassen :) Durch eine methodengeleitete Präferenzcodierung macht sich die Wissenschaft bis zu einem gewissen Grad vom Erleben und Handeln der individuellen Forscher unabhängig (siehe wissenschaftliche Gütekriterien) und gewinnt so mit ihrer (wohlgemerkt) bewusstseinsunabhängigen Eigendynamik, ihrer ambiguen, unsicheren und entscheidungsbedürftigen Eigentdynamik, für unsere Bewusstseine Orientierungswert. Neben der Wissenschaft gibt es natürlich eine Reihe von Funktionssystemen in der Gesellschaft mit ihren jeweils eigenen Codes und Programmen, die die Differenzierung unserer Gesellschaft prägen und die uns den nötigen Widerstand geben unser Erleben zu strukturieren. Alles was gesagt wird kann man binären Codes zuordnen, und sich Fragen welche Programme sich eignen könnten, um die eine und nicht die andere Seite des Codes zu bezeichnen.Was in der Wissenschaft die Methoden sind, das sind für das Recht die Verfahren, usw. 

Alles ist gebaut aus einer unfassbaren Mannigfaltigkeit laufender Bezeichnungen von Unterscheidungen, die immer eine Seite der Unterscheidung sozusagen unter der Wasseroberfläche mitlaufen lassen. Um so unauffällig und ohne gross Nebengeräusche den Zusammenhang zu anderem herzustellen. Daran sollten mehr Menschen denken. (G+-Beitrag)