Dienstag, 7. August 2012

Hin zu einem Bild des Bewusstseins als Interferenzphänomen

Wenn wir uns vorstellen wie Sinnsysteme, also wie psychische und soziale Systeme ihre Unterscheidungen organisieren, dann scheint das mit entsprechend abtrakten Ansätzen noch vorstellbar (z.B. wenn man sich die moderne unterscheidungstheoretische Soziologie ansieht). Aber in welchen Metaphern kann man sinnvoll beschreiben wie genetische Systeme, die Körper, im besonderen hier die Nervensysteme operieren? Mit welchen Metaphern können wir uns aushelfen, wenn wir einigermaßen seriös darüber reden wollen, wie es um die Bedingung der Möglichkeit von Ordnung in Nervensystemen bestellt ist? Systeme, die ja nun nicht im Medium Sinn, im Sinne semantischer Zusammenhänge, operieren und so sprachlich entsprechend behutsam angefasst werden sollten. Die biologische Literatur dazu (die ich gelesen habe) ist mir im wesentlichen zu deskriptiv und so völlig ungeeingnet sie im interdisziplinären Diskurs vernünftig zu gebrauchen.

Mit welchen Metaphern wir uns heute aushelfen können wird zu einer bedeutenden Frage, wenn man darüber nachdenkt, wie man, über das hinaus was man gerade an Sachverhalten andeutet, schon einen sinnvollen Anschluss offenhalten kann zu weiteren und komplexeren Kommunikationen. Eine Metapher kann, quasi wie ein trojanisches Pferd, sehr harmlos daherkommen. Man lässt sich aber mit einer Metapher nie nur auf ein einziges Wortbild ein. Man triggert mit ihr ganz spezifische Szenerien, Schemata, ganz bestimmte Skripte, die den Zusammenhang und die Bewertung von ganzen Situationen definieren. Eine Kultur kann deswegen z.B. in die Bredouille kommen, dass sie sich mit bestimmten tradierten “Mainstreammetaphern” den Weg zu leichtgängigeren, plausibleren und zeitgemäßeren Denkmodellen versprerrt (weil diese paradoxerweise dann u.U. unnötig kompliziert erscheinen). Es setzt sich irgendetwas nicht durch oder gewinnt keine Resonanz, nicht unbedingt weil es zu kompliziert ist, sondern weil es keinen ansprechenden Anschluss in den naiven Weltbildern findet. Und mit naiven Weltbildern sei nicht etwa gemeint, dass naive Weltbilder von dummen Menschen vertreten werden. Naive Weltbilder werden oft von intelligenten Menschen vertreten. Als Beispiel: Das sind oft Leute, die letztlich meinen, dass man im Alltag keine Philosophie benötigt und dabei nicht merken, dass genau das ihre (naive, unreflektive) Philosophie ist, die ihr Handeln leitet. Das sind meistens “Machtmenschen”, die auch gern mit Alternativlosigkeit “argumentieren”. Aber naja, ich drohe den Faden zu verlieren. Also, ich stelle mir hier konkret die Frage ob uns speziell das Bild der Interferenz weiterhelfen kann einen sinnvollen Zusammenhang von Metaphern, bzw. Begriffen aufzurufen. Und zwar um hier zum Beispiel über biologische (insbesondere neuronale) Systeme sprechen zu können. Und zwar so, dass man über komplexe neuro-biologische Sachverhalte vereinfacht und einigermaßen allgemeinverständlich reden kann, ohne - mit den durch die Sprachbilder implizierten Gedankenspielen - dem Sachverhalt die Möglichkeit zu nehmen ihn wieder komplex machen zu können. Mir kam die Idee einen solchen Text einfach mal zu versuchen, nicht nur weil ich die Interferenzmetapher selber irgendwie plausibel finde, sondern weil ich mir vorstellen kann, dass es im Alltag doch ein relativ weit verbreitetes (wenn auch einfaches, aber vermutlich erstmal ausreichendes) Verständnis über fundamentale physikalische Begriffe gibt (Wie z.B. Interferenz, Oszillation, Resonanz, vielleicht auch Turbulenz, usw.). Und das könnte dabei helfen auf eine relativ schnell zugängliche Weise über komplexe Sachverhalte zu reden, ohne dabei in esoterische oder noch schlimmere Sprachspiele zu verfallen. Im folgenden werde ich also die eben genannten physikalischen Grundbegriffe (und ein paar mehr) an pointierter (aber möglichst selbstverständlicher) Stelle verwenden, um damit die Dynamik neuronale Systeme zu beschreiben. Letztlich um zu gucken wie weit ich damit komme das Gehirn und die Emergenz seines Bewusstseins zu beschreiben (Ganz bescheiden, wie immer).

Es geht mir hier im Text nicht darum konkrete Gehirne oder Bewusstseine im Detail zu beschreiben (dafür bitte biologische Literatur heranziehen). Reine Beschreibungen haben so etwas lebloses. Ich möchte versuchen mit der Interferenzmetapher ein Gefühl für die schwirrende Dynamik, um die es geht zu vermitteln. Es geht mir um eine möglichst allgemeine Beschreibung von Prozessen in Gehirnen (die widerum nicht so allgemein ist, dass sie alle ihre Aussagekraft verliert oder allzu beliebig daherkommt). Das hier soll ein (zumindest für jemanden mit Abitur) verständlicher (bzw. bei nachschlagendem Interesse selbstverständlicher) Text werden, der trotz vereinfachender Darstellung vielleicht den ein oder anderen Aha-Effekt auslöst und zum Nachschlagen, bzw. weiter nachdenken anregt (und ggf. im besten Fall ein Stück weit beides).

Und wenn ich hier schon mit etwas gröberen Klötzen arbeite, dann fange ich auch bei Adam und Eva an. Also.... Es war einmal ein Neuron. Und das ging immer nur an und aus. Da machte es sich Beine und Arme und... Nein, das ist vielleicht doch nicht der richtige Ton... warte mal... Um uns ein Gehirn erstmal grob vorzustellen machen wir folgendes. Wir stellen uns einfach Neurone vor, die an und ausgehen können. Und: Ein Neuron hat Axone, also Fortsätze über die es elektrochmische Impulse von anderen Neuronen empfängt und Dendriten, Fortsätze über die es elektrochmische Impulse an andere Neuronen weiterleiten kann. Nur mal so: ein einziges Neuron kann mit 100000-200000 solcher Faserfortsätze mit anderen Neuronen in Kontakt stehen. (http://de.wikipedia.org/wiki/Nervenzelle) Wikipedia nochmal dazu:

"Das menschliche Gehirn besitzt Schätzungen zufolge etwa 100 Milliarden Nervenzellen (auch: Neuronen), die durch etwa 100 Billionen Synapsen eng miteinander verbunden sind. Durchschnittlich ist ein Neuron demzufolge mit 1000 anderen Neuronen verbunden und könnte von jedem beliebigen anderen Neuron aus in höchstens vier Schritten erreicht werden. Allerdings gibt es lokal deutliche Abweichungen von diesem Mittelwert. Im Vergleich dazu hat der Cortex einer Maus etwa 8 Millionen Neuronen mit jeweils 8.000 Synapsen." (http://de.wikipedia.org/wiki/Gehirn)

Es geht also um ein äusserst spektakuläres Gebilde aus vernetzten Neuronen. Einer der Cluos bei der ganzen Vernetzung ist nun, dass: „Wenn ein Axon der Zelle A […] Zelle B erregt und wiederholt und dauerhaft zur Erzeugung vonAktionspotentialen in Zelle B beiträgt, so resultiert dies in Wachstumsprozessen oder metabolischen Veränderungen in einer oder in beiden Zellen, die bewirken, dass die Effizienzvon Zelle A in Bezug auf die Erzeugung eines Aktionspotentials in B größer wird.“ (vgl. Hebb-Lernregel)

Spulen wir mal kurz zurück und stellen uns nochmal in sehr vereinfachter Form ein Gebilde aus x Neuronen vor, die über x*1000 Synapsen völlig gleichmäßig verbunden sind. Wir stellen uns also quasi ein “Gehirn” vor in dem jedes Neuron durch Synapsen in einem einfachen Muster mit 1000 andern Neuronen verbunden wäre. Jedes Neuron wäre gleich und jede Synapse wäre gleich. Stellen wir nun vor wir stoppen die Zeit und setzen dieses "Quasigehirn" statt eines Gehirns in einen menschlichen Körper, mit Augen, Ohren und all dem anderen Plunder ein. Was könnte passieren, wenn wir die Zeit wieder laufen lassen? (Also abgesehen davon, dass der Mensch sofort tot umfallen würde, dass das aus Gründen nicht funktionieren könnte. Aber lassen wir dieses Gedankenspiel kurz zu, um evtl einen interessanten Blick auf die Dynamik in Gehirnen zu bekommen). Wir wissen dieses “Quasigehirn” wird Aktivität aus sich selber heraus erzeugen. Also Neurone würden an uns ausgehen. Elektrochemische Signale würden über die Fortsätze huschen und andere Neuronen entweder anregen oder hemmen. Dann haben wir da die sensorischen Neurone des Nervensystems (an das unser Quasigehirn ja jetzt angeschlossen ist), die ihre Aktivität nicht quasi-autistisch auf sich selbst bezogen regulieren, sondern, die auf konkrete Irritation der sensorischen Oberfläche mit Aktivität reagieren. Stellen wir uns unsere Netzhäute vor. Das sind quasi ausgelagerte sensorische Gehirnteile, die bei Menschen einen sehr grossen Teil der Neurone beschäftigen. Es wird jetzt schon schwer sich die schwirrende Dynamik eines solchen Gebilden vorzustellen, dem die Hebbsche Regel interessanterweise etwas medienhaftes verleiht. Aktivitäten verbreiten sich nicht gleichmäßig wie Wellen über einen See. Die Hebbsche Regel führt sozusagen lokal zu Abweichungsverstärkungen der Leitfähigkeit und Stärke von Impulsen. Trotzdem und das ist hier wichtig möchte ich im Bild der Wellenausbreitung bleiben.

Wenn ich im weiteren von neuronalen Aktivitätsmustern spreche, dann gehe ich im Prinzip davon aus, dass sie sich wellenartig ausbreiten. Nur das Medium ist eben kein einfaches, und Formen (Wellen) werden nicht durch Bewegungsenergie provoziert; wie beim Beispiel der Wellen auf einem See. Das Medium wäre hier ein “hebbschisches” Netz aus Neuronen, dass seine Wellen sozusagen elektrochemisch und abhängig von seiner eigenen Geschichte laufen lässt. Es wird im Gegesatz zu Wellen in einem See keine Bewegungsenergie weitergegeben, sondern elektrochemische Impulse. Also, ihr seit noch bei mir, oder? Wir haben nun ein Quasigehirn (keinen See) mit spontaer Eigenaktivität und sensorischen Oberflächen, in dem sich Wellen durch elektrochemische Impulse (nicht Bewegungen) ausbreiten.

Ich möchte nun, dass ihr Euch folgende Telekolleg Sendung “Interferenz von Wellen”, Teil 1 & Teil 2 anseht.  Es geht dort nicht um neuronale Interferenzen, sondern um das was ihr aus Eurem 10. Klasse Physikunterricht wahrscheinlich vergessen habt. Zieht Euch das rein. Das ist nicht nur interessant, sondern der Text hier wird Euch im folgenden mehr Spaß machen, wenn Ihr Eure allgemeinen Erinnerungslücken ein wenig stopft ) Ihr merkt schon, ich versuche langsam ersthaft den Bogen zu meiner Interferenzmetapher zu bekommen.

In unserem Gedankenspiel haben wir nun unser "Quasigehirn" zu einem veränderungsfähigen, vergangenheitsabhängigen Medium gemacht, dass eigene Wellenerreger hat und durch das entsprechend Wellen laufen. Die Elemente des Medium sind hier nicht die aneinanderreibenden Wassermoleküle, wie in einem See, sondern, es sind die vernetzten Neurone, die durch die Hebbsche Regel lokale Anweichungsverstärkungen ausbilden können und teilweise in ihrer Aktivität abhängig sind von Irritationen an ihrer Oberfläche. Stellt Euch nun - um warmzu werden - einfach ganz schematisch Wellen vor, die durch ein Medium laufen, wie im einfachsten Fall z.B. in diesem Video . Ihr seht, das die Wellen sich ungestört überlagern, also ein einfaches Interferenzmuster erzeugen. Wie Steine, die ins Wasser fallen, so fungieren die Aktivitäten von Neuronen ebenso als Wellenerreger in unserem “Quasigehirn”. Wellen die über das Wasser laufen haben einen Wellenberg und ein Wellental. Je nachdem wie sie aufeinandertreffen akkumulieren sich ihre Ausschläge. Treffen Berg und Tal zusammen lösen sie sich gegenseitig zu Null auf, usw. Und so auf elektrochemische Weise in unserem “Quasigehirn”. Wo wir oben bei der Beschreibung der Vernetzung des Gehirns schon so grosse Zahlen eingeführt haben, sollten wir es bei der Vorstellung von Interferenzmustern nicht bei der Einfachheit des eben gezeigten Videos belassen. Schaut Euch jetzt folgendes neunundzwanzigsekündiges Video an.  Ihr seht da sozusagen ein Medium mit verschiedenen Wellenerregern, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten, an unterschiedlichen Orten aktiv werden und Wellen erzeugen, die sich gegenseitig ungestört überlagern. Man sieht sehr schön die Interferenzen, die entstehen. Der veranschaulichende Geck hier ist, dass im letzten Bild aus den Interferenzen sozsuagen eine Buchstabenfolge emergiert (GF..???sonstwas, ist ja auch egal). Das sowas möglich ist, also zeitliche und räumliche Muster von Wellenerregern, die Formen als Interferenzphänomene hervorbringen, darauf kommt man erstmal nicht, wenn man ein paar Steine ins Wasser wirft. Hier nochmal hervorzuheben ist, dass die Bedingung der Möglichkeit der Formen nicht direkt die Neurone sind, es ist auch nicht die Aktivität der Neurone, es ist die kontinuierliche Überlagerung der Aktivität vieler Neurone, die Phänomene emergieren lässt, die wir verzweifelt versuchen zu verstehen und nicht im Ansatz begreifen können, wenn wir diese weiter quasi in “Standbildern” denken. Auch ist es eigentlich verwirrend mit diesem Beispielvideo eben zu kommen, in dem ein Schriftzug entsteht. Das Veranschaulicht vielleicht zu sehr. Und zwar in der Hinsicht, dass es natürlich nicht darum geht sich jetzt vorzustellen, dass so im Prinzip jede beliebige Form entstehen könnte. Das ist eigentlich trivial, wenn man es einmal gescheckt hat. Wir dürfen - wie ich eben gesagt habe - nicht dem denken in Standbildern verfallen. Es sind letztlich immer weiter wabernde Aktivitätsmuster (vgl. z.B. dieses Video), die irritiert werden durch: Eigendynamik, Sensoroberflächen, Medienhaftigkeit (z.B. Hebbregel) und …. und jetzt kommt der springenden Punkt: Durch die Differenz von Eigendynamik/ Sensoroberflächenirritation/ Medienhaftigkeit. So wie prägnante Aktivitätsmuster schon in passiven, einfachen, trivialen Medien ins Auge springen (siehe letztes Video), so können aktive, komplexe, nicht-triviale Medien (in denen sich Wellenerreger sozusagen in Raum, Zeit, Frequenz, pipapo voneinander abhängig verändern können/müssen) natürlich erst recht Interferenzmuster ausbilden. Aktiv soll hier heissen: Das Medium wird von aussen mit Energie versorgt (die Energieversorgung hat keinen Einfluss auf die Formbildung im Medium, sondern stellt “nur” eine Art Bereitschaftspotenzial zur Verfügung) und Wellen müssen also nicht unbedingt schwächer werden (im Gegenteil, sie können sich auch energetisch aufschaukel (je nach Kopplungstyp). In einem passiven Medium wird die Welle immer schwächer und läuft schließlich aus. In einem aktiven Medium gibt es kontinuierliche und veränderliche Wellenerreger und ein kontinuierliches Bereitschaftspotenzial. Es kann so dazu kommen, dass im Medium Oszillationen zwischen verschiedenen Interferenzmustern auftreten. Aus Experimenten im Chemieunterricht kennen wir den Klassiker, die “Jod-Uhr”, die uns zeigt, dass Flüssigkeiten, zwischen verschiedenen “Zuständen” oszillieren können (vgl Video) . In diesem Sinne können wir uns vorstellen, dass auch Interferenzmuster in einem aktiven Medium zwischen verschiedenen Phasen hin und her springen können.

Stellen wir uns unser Quasigehirn weiter als ein Medium vor, dass aktiv, geschichtsabhängig und nicht-trivial ist und dass Wellenerreger hervorbringt, die ihre Aktivität A. von internen Aktivitäten und B. von Irritationen an ihrer Oberfläche ableiten (Selbstreferenz/Fremdreferenz). Stellen wir uns weiter vor diese “brummenden” Differenzen aus selbst- und fremdreferenten Aktivitäten interferieren (wie komplexe Muster schon durch die Überlagerung zweier Einfacher Muster entstehen können lässt dieses Video hier sehr schön erahnen) . Und weiter nehmen wir an, dass die daraus resultierenden Interferenzmuster in unserem aktiven “Quasigehirn” nicht einfach auf einen festen Endpunkt hinauslaufen und fertig, sondern, dass diese sich in einem kontinuierlichen Prozess in einem komplexen Medium (je nach Anfangs- und Laufzeitbedingungen) in viele lokale Oszillationen ausdifferenzieren und (das ist hier entscheident!) auf das Medium zurückwirken.

Wir haben jetzt eine recht voraussetzungsreiche, schon einigermaßen unübersichtliche Lage erzeugt. Man könnte sagen, wir haben mit unserem “Quasigehirn” die Ausgangsbedingunen eines komplexen dynamischen Systems abgesteckt, dass unglaublich viele (wenn auch nicht unendlich viele) Zustände hervorbringen kann. In klassischem Sprachgebrauch kann man von einem Phasenraum als Menge aller möglichen Zustände eines solchen dynamischen Systems sprechen (http://de.wikipedia.org/wiki/Phasenraum). Letztlich können wir das Medium, unser "Quasigehirn" selbst als einen solchen Phasenraum beschreiben. Die zeitliche Entwicklung, der Veränderungsverlauf von Aktivitätsmustern in einem solchen Phasenraum wird entsprechend klassisch als Trajektorie bezeichnet (vgl. ebd.). Aus der klassischen Beschreibung dynamischer Systeme weiss man, dass solche Systeme in ihrem zeitlichen Verlauf spezifische Invarianzen im Phasenraum ausbilden können, “die unter der Dynamik dieses Systems nicht mehr verlassen werden [...] Umgangssprachlich könnte man von einer Art "stabilen Zustand" eines Systems sprechen (wobei auch periodisch, also wellenartig wiederkehrende Zustände oder andere erkennbare Muster gemeint sein können), also ein Zustand, auf das sich ein System hinbewegt.” (http://de.wikipedia.org/wiki/Attraktor). Solche Eigenwerte bezeichnet man als Attraktor.

Dazu Michael Aurel Stadler (einer der grossen zeitgenössischen Gestaltpsychologen): "Als Attraktor wird die Eigenschaft eines dynamischen Systems bezeichnet, unter verschiedenen, aber begrenzten Ausgangs- und Randbedingungen auf einen reproduzierbaren stabilen Zustand zu konvergieren (Basar 1990). Der Weg, den eine folge von Werten einer Zustandsvariablen von ihrem Ausgangspunkt zu einem Attraktor nimmt, wird als Trajektorie bezeichnet. Übergänge von einem Attraktor zu einem anderen heißen Phasenübergänge. Man unterscheidet in der Theorie dynamischer Systeme Punktattraktoren, Grenzzyklen ( periodische Attraktoren), Torusse (quasi-periodische Attraktoren) und chaotische Attraktoren. [...]" (Schmidt, S.J. (1992) Kognition und Gesellschaft, S.154; Aufsatz: M.Stadler & P.Kruse; Konstruktivismus und Selbstorganisation: Methodologische Überlegungen zur Heuristik psychologischer Experimente.)

Trajektorien, also Veränderungsmuster müssen nicht ausschließlich auf relativ feste Eigenwerte hinauslaufen. Sie können genausogut in “geschlossene Kurven” beschrieben werden, die Oszillationen im Phasenraum bezeichnen (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Phasenraum ). Und schliesslich können wir uns noch eine dritte und vierte Art von Trajektorie vorstellen, die nämlich weder auf einen Eigenwert zulaufen, noch in einer “Periode”, also in einer Oszillation hängen bleiben, sondern, die in ihrem Verlauf entweder eine Zufallsfunktion abbilden, oder aber sich unvorhersehbar zeigt, aber nicht zufällig ist, die im Prinzip nachvollziehbar, aber eben nicht vorvollziehbar ist (so wie man z.B. Primzahlen, oder Nachkommastellen von Pi immer schön eine nach der anderen ausrechnen muss) Wenn man sich diese vier Trajektortypen nun parallel in in unserem “Quasigehirn” vorstellt, dann kann man sich eine Differenzierung in der Evolution ganz gut als Resonanzphänomen erklären. Zusammenfassend:
1. Es können Eigenwerte, Attraktoren enstehen, die bestimmte Bereich des Phasenraumes in ihren Bann ziehen (vgl. z.B. Metronomexperiment). Und so auf Dauer auch ihren Phasenraum (ihr Medium) entsprechend forcieren, wie dies im übrigens, auf ihre Weise, auch die folgenden drei Fälle tun (hier sei nur nochmal beispielhaft die Hebb-Regel aufgerufen).
2. Bestimmte Bereiche im Phasenraum oszillieren und belegen aus sich heraus (im Unterschied zu den Eigenwerten) keinen eindeutigen Platz im Phasenraum. Sondern sie schwanken zwischen verschiedenen Bereichen.
3. Einige Bereichen können völlig diffuse Turbulenzen erzeugen. Sie sind nicht eindeutig, nicht mehrdeutig, sie ähneln einem passivem Medium, wie dem See. (Für das System nicht auf irgendetwas rückrechenbar (hochstens auf sein Bewusstsein selbst)
4. Es kann zu dem noch Bereiche geben, die, wie im Fall 3. nicht über den nächsten Schritt antezipierbar sind (Wie das bei 1. und 2. ja der Fall ist), die aber im Nachhinein betrachtet nicht zufällig zustande kamen, sondern einer komplexen Funktion folgen.

Nun, jetzt lassen wir unser “Quasigehirn” mal den Kopf bewegen und denken uns dazu die Aktivitätsveränderungen auf seinen Netzhäuten, die es dabei erfährt. Ein entsprechend differenziertes Quasigehirn vorausgesetzt, kann es diese Veränderungen auf verschiedene recht einfache aber effektive Weise abfangen (vgl. beispielhaft die Numarete, bzw. das Prinzip Laterale Inhibition). Im Falle der Kofbewegung sind das lineare (gut antezipierbare) Veränderungen. Fangen wir aber an mit einem anderen "Quasigehirn" zu interagieren, dessen Verlauf wir nicht wie die Flugbahn eines Balles anzepieren können, dann läuft unser Quasigehirn auf ein anderes extrem wichtiges Problem auf. Eine Situation doppelter Kontingenz entsteht. Wenn unsere “Quasigehirne” sich vermittelt über ihre sensorischen Oberflächen voneinandern abhängig machen, dann entsteht eine Situation, die für meine Begriffe noch keiner schöner beschrieben hat als Niklas Luhmann:

"Es gibt eine These von Donald MacKay, einem schottischen Informationstheoretiker, wonach unter diesen Bedingungen Freiheit entsteht. Selbst wenn diese komplexen Systeme Maschinen wären, selbst wenn sie vollständig determiniert wären, müsste jedes System unterstellen, das das andere beeinflusst werden kann, also auf Signale reagiert; und nicht in einer Weise deren Determiniertheit man im System selbst ausrechnen könnte. Sondern eben in einer Weise die unvorhersehbar ist. Und dann muss man die Information sozusagen süßen, man muss irgendwie Anreize bieten von denen man glaubt oder aus Erfahrung weiß, das die anderen Systeme sich darauf einlassen; das sie freiwillig, aufgrund eigener Präferenzen kooperieren, bzw. wenn man das ausschließen will, nicht kooperieren; das sie also entscheiden können; und nicht schon durchdeterminierte Systeme sind, die das tun was sie sowieso tun.“(Luhmann, N. (1993). Theorie der Gesellschaft. Band 5a, ab 35:00 min Autobahnuni. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme. Ausschnitt hier.  ) “

Also die interessante Hypothese ist, dass unter diesen Bedingungen Freiheit entsteht (vgl.MacKay, 1967). Es müssen mindestens zwei Systeme sein, die sich wechselseitig komplexitätsunterlegen sind. Sie haben also jeweils nicht die requisite Variety (vgl. Ashby, S. 179 ff), die Komplexität des anderen im eigenen System zu erzeugen, geschweige denn die Möglichkeit eine Interaktion zu antizipieren. „Und unter diesen Bedingungen müssen die Systeme die Freiheit des anderen unterstellen, um sich selbst in ein Verhältnis zum anderen System bringen zu können. [. . .] Und wenn das auf beiden Seiten geschieht, dann wird Freiheit qua Fiktion Realität.“(ebd., bzw. hier)

Wenn wir das Bewusstsein nicht mir dem Körper verwechseln, oder es als eine Art aus dem Körper herausprojizierte Funktion betrachten, sondern, wenn wir Bewusstsein als ein Interferenzphänomen begreifen, dass auf die laufende Differenz zwischen Körper und Kommunikation zurückzuführen ist und das auf beides rückwirkt, dann machen wir damit z.B. das Leib-Seele Problem obsolet. Und wenn man unbedingt noch von Seele und nicht von Bewusstsein sprechen möchte, dann muss es eben zu einem Leib-Kommunikation-Seele Problem werden. Das klingt jetzt aber zu philosophisch. Ich möchte hier nicht in eine philosophische Debatte abrutschen. Was mich interessiert, das ist die Frage, ob eine solche “Interferenzmetapher” einigermassen taugt komplexe soziale und psychische Phänomene anzudeuten. Wieviel besser können wir uns selbst (als Bewusstseine) beschreiben, wenn wir beobachten, dass wir z.B. mit unseren Selbstsimplifikationen kontrollieren in welchem Umfange Kommunikation neuronale Interferrenzmuster nutzen, stabilisieren und Äuflösen kann? Prozesse, die eben nur im Zusammenhang wechselseitiger Beobachtung sich überhaupt produzieren, bzw. re-produzieren, damit immerschon in der Realität neuronaler Prozesse angekommen sind (Weil sie diese nie verlassen), aber nicht auf diese zurückführbar sind (sondern eben auf die Eigendynamik von Interferenzmustern in aktiven, komplexen, geschichtsabhängigen und nicht-trivialen Medien in Berührung mit ihrer Umwelt). Prozesse, die als Prozesse mehrere Ordnungsebenen aufweisen. Wenn man so will kann man sagen: es gibt eine Ebene der basalen Operationen (meinetwegen z.B. die elektro-chemischen Prozesse des Nervensystems), die, unter Begingung wechselseitiger Beeinflussung, in sich selbst eine Ebene höherer Orndung, nämlich die Ebene systematischer Interferenzmuster ausbildet, deren Eigendynamik wiederum auf die Ebene der basalen Operationen zurückwirkt. Wenn wir unser Erleben als selbstbezügliches Interferenzphänomen verstehen, dann brauchen wir nicht mehr nach Ontologien zu fragen. Etwas ist in unserem Leben als interferierende Differenz zwischen System und Umwelt, nie weil etwas als solches aus sich selbst heraus einfach ist. Wir erleben nicht Dinge, wir erleben nicht unsere neuronale Aktivität, sondern, wir erleben das was als spezifische Interferenzmuster in Kontakt mit einer Umwelt in uns Resonanz und Eigendynamik findet. Wir erleben nicht uns, wir lesen nicht die Welt an uns ab (wie es die Konstruktivisten gelegentlich unterstellen), wir erleben nicht (eine wie auch immer verzerrte Funktion der) Welt (wie die Ontologen meinen), nein, wir erleben das Brummen laufender Differenzen, laufender und sich selbst forttragender Interferenzen. Differenzen sind eben nicht standbildhaft zu denken (wie man leicht geneigt ist zu tun, wenn man z.B. auf Striche und Kreise auf Papier rekuriert), sondern sie sind operativ, sozusagen als Prozess zu denken. Und dann werden Differenzen zu Interferenzen.Und es wird deutlicher, dass es bei Bewusstsein nicht um die Innenseite des Bewusstsein ermöglichenden Körpers geht. Und auch nicht exklusiv, um die System/Umwelt-Beziehungen, sondern es geht bei der Stabilisierung Bewusstsein tragender Interferenzen in neuronalen Systemen in besonderer Weise um die Unterscheidung von Inter-System-Beziehungen (oder besser: um Interpenetrationsverhältnisse, wie die Soziologen sagen).

Das klingt jetzt alles recht trivial, und wenn man das so sieht stellt man vielleicht die Frage: Und, was solls? Wozu? Ich, für meine Begriffe staune dann und frage mich, was ich nicht deutlich genug gemacht habe und verbuche das als meinen Fehler. Denn, wenn man das alles auch nur umrisshaft erst nimmt, dann können wir die Welt, die Gesellschaft, die Menschen nicht mehr ersthaft in der alteuropäischer Tradition weiter beschreiben. Im Gegenteil, die alteuropäischen Konzepte von Identität, von Gedächtnis, vom Verhältnis Mensch/Gesellschaft usw., die unser naives Alltagsweltbild massivst prägen wirken dann nicht nur verkrampft, sondern zeigen auch teilweise die ihnen eigenen (meist ungewollten) autoritären und faschistoiden Tendenzen, zeigen sich als Wolf im Schafspelz. Man (Ich) muss allerdings weiter darüber nachdenken. Wenn ich hier dazu anregen möchte sich die Bedingungen der Möglichkeit von Bewusstsein und Gesellschaft entsprechend vorzustellen dann präsentiere ich damit natürlich keine Lösung für irgendetwas. Das ist auch nicht meine Absicht. Meine Absicht ist es auf den Spaß hinzuweisen, den man haben kann, wenn man sich systematisch und nicht an den Haaren herbeigezogen vorstellt, dass alles ganz anders ist als so der Alltag voraussetzt, dieser nur trotzdem irgendwie funktioniert (und nicht weil unsere Weltbilder so gut sind). Man stelle sich nur vor: Diesen Haufen von Primaten auf diesem Planeten, hochintelligente unter ihnen (Intelligenz scheint hier nicht unbedingt nützlich zu sein, sondern eher noch zu schaden), die garnicht merken wie sie sich durch ihr eigenes Weltbild einschränken und sich für etwas halten, was sie garnicht sind, das sie nie waren und nie sein können. Was ja nicht per se destruktiv sein muss. … aber in diesem Fall? Wenn man zu viel nach Antworten sucht, dann verliert man aus dem Auge, dass schon die Fragen nicht selbstverständlich sind.
Ein anderer Versuch, siehe hier.