Dienstag, 27. März 2012

Rock' n Roll und Respekt

Der Rant von Sven Regener zum Urheberrecht war für mich so unterhaltsam wie inspirierend. Ich will jetzt garncht auf Aussagen wie "Die GEMA sind wir" eingehen, wobei ich trotz starker kognitiver Dissonanzen schon den Eindruck habe, dass ich verstehe worauf er abgeht. Interessant fand ich den Rant vielmehr dadurch, dass Sven Regener in diesem Zusammenhang das Thema Respekt aufgerufen hat. Was ich für sinnvoll halte. Eine Frage, die mir grad immer wieder aufploppt: Warum z.B. scheint das Urheberrecht an Fotos mehr Würdigung zu finden, als z.B. das von Musik, oder Software. Wen dem tatsächlich so sein sollte, gibt es natürlich vielfältige Erklärungsmöglichkeiten. Eine möchte mir gerade nicht mehr aus dem Kopf. Könnte es sein, dass Menschen ein relativ abstraktes Recht (wie z.B. das Urheberrecht) eher respektieren, wenn sie sich vorstellen können ebenso Schöpfer einer urheberrechtlich relevanten Form zu werden und nicht nur abhängiger der Schöpfungen anderer zu werden? (Das gilt ggf vielleicht nicht nur für das Urheberrecht. Siehe: den zur Annahme von Kommunikationen motivierenden Faktor des "vom Tellerwäscher zum Millionär" Mythos). Sicherlich können sich heutzutage mehr Menschen vorstellen ein verwertbares Foto zu schiessen, als einen verwertbaren Song zu schreiben, oder garn einen Film zu schaffen. Andererseits ist es genauso wahrscheinlich, dass es mehr noch die Tatsache ist, dass man ein Bild ja (wenn auch in schlechterer Auflösung) trotz Urheberrecht in gewisserweise leicht konsumieren kann, ohne gleich Rechte kaufen zu müssen, um es bloss zu sehen.
So oder so gibt es, zumindest für meine Begriffe, natürlich die berechtigte Reaktanz gegen abstrakte Rechte, die über den Verkauf entsprechender Produkte den Menschen ganz konkret in seiner Handlungsfreiheit einschränken. Oder man denke an Softwarepatente und Genpatente usw. Ist sowas überhaupt noch gesetzlich zu regeln oder erwarten Märkte, die derart abstrakte Probleme aufwerfen nicht eigentlich einen Kunden, der wesentlich reflektiver seinen Bon auch als Stimmzettel wahrnimmt? Bei dem Zusammenhang: abstrakte Rechte wie Urheberrecht, Patente und dementsprechend neuartige und weitgehende (und heute auch kontrollierbare) Handlungseinschränkungen gehen natürlich alle Alarmleuchten an und es geht erstmal um den Kampf um die Freiheit per se. Und Struktur in eine solche Diskussion zu bringen scheint mir demensprechend sisyphusselig.
Allerdings möchte ich hier durch meine Überpointierung natürlich nicht den Eindruck einer möglichen monokausalen Argumentation verbreiten. Natürlich gibt es viele, sich überlagernde Kausalitäten. Und natürlich gibt es keine Akzeptanz, wenn man per Dekret (ich sags einfach mal so) 50% der Computerbesitzer auf die ein oder andere Weise zu strafverfolgbaren Tätern erklärt. Natürlich gibt es keine Akzeptanz, wenn z.B. Preise nicht den veränderten, viel extensiveren Medienkonsum berücksichtigen. Natürlich gibt es keine Akzeptanz, wenn nicht jeder Benutzer potenziell auch als Schöpfer respektiert wird. Hoffenltich gibt es keine Akzeptanz bei Kindern und Jugentlichen, deren zukünftige informatische Fähigkeiten u.U. davon abhängen nicht nur die Software oder weiss der Geier was dergleichen zu benutzen, die sie von ihrem Taschengeld bezahlen können. Natürlich gibt es Probleme, wenn Urheberrecht mit Privatsphäre kollidiert, in dem Maße als Firmen und Behörden über das Auslesen der entsprechenden Geräte quasi ins Wohnzimmer kommen und schauen ob die Geräte auch dem Willen der Firma oder Behörde entsprechend genutzt werden.
Irgendwie hat das für mich gerade alles mit Respekt zu tun. Ob das nun im Falle der Genpatente der Respekt vor den biologoschen Systemen ist, ob das im Falle des Urheberrechts, der Respekt vor der Leistung des Anderen, bzw. der Respekt vor der geldeintreibenden Instanz, bzw deren Bedingungen ist. Wie auch immer, es ist schon interessant sich auszumalen in welchem Umfang sich die Menschen von Ihren Produkten in ihren Handlungen einschränken lassen. Letztens habe ich in einem Raum in einem Kindergarten eine Lärmampel gesehen. Die gibt ein Signal ab, wenn der Geräuschpegel der Kinder zu stark wird. Ich finde das schon krass, irgendwie. Nicht nur, weil das Ding natürlich prompt bei mir angesprungen ist. Mit den Rechnern scheint mir eine Phase loszugehen, die uns krassestens mit unseren Weltbildern konfrontiert. Ich vermute (hoffe vielmehr), dass es in 3-5 Generationen keinen Leut mehr gibt, der sich nicht darüber wundert wie sehr wir anfang des Jahrhunderts immernoch in unseren 19: Jhrd-Stiefeln steckten und wie lange wir gebraucht haben um schließlich zu verstehen, dass wir spätenstens nach der postindustriellen Revolution kaum mehr echte(!) Güterknappheit haben und alles vielmehr eine Frage des Respekts ist als eine Frage des Preises. (ursprünglich G+ Beitrag)